Her mit dem Geld
und weg mit den Waren !

— Ein Plädoyer für die warenlose Wirtschaft —

Von Maren Hoffmann

    Konsumschwäche, sinkende Investitionsraten und Arbeitsunlust auch in den obersten Etagen machen der deutschen Wirtschaft derzeit zu schaffen. Der Bürger klagt über bedrückende Laster, die Kaufkraft jeder Art von Geld scheint zu erschlaffen. »Die Mark«, klagt Konrad Leider, Vorsitzender des Kuratoriums deutscher Wirtschaftskrimineller, »ist irgendwie nicht mehr das, was der Dollar mal war« Woran liegt das ? Und : warum kaufen die Leute nicht mehr ? »Ich würde ja gern«, meint der Arbeitslose Herbert P., »aber ich habe einfach kein Geld«
    Der Wille — dies sei unseren Finanzpolitikern ins Stammbuch geschrieben — ist also da. Es mangelt schlicht und ergreifend an Kohle. Dennoch reagiert die Regierung nicht, sondern steigert durch unverständliche Beschlüsse den Unmut der Bürger. Noch immer wird das Fälschen deutscher Geldscheine, dem sich private Investoren seit Ende der letzten großen Inflationswelle zuwandten, mit empfindlichen Strafen belegt; genug Geld für alle — diese vernünftige Forderung, die seit der neuen Generation von Farbkopierern endlich in erreichbare Nähe gerückt schien, stößt in Bonn auf taube Ohren.
    Untersuchungen belegen, daß 76 Prozent der Bundesbürger — das ist mehr als die Hälfte — nicht mit ihrem Einkommen zufrieden sind. Und hier stoßen wir zum Kernpunkt deutscher Begehrlichkeit vor : die Leute wollen nicht mehr Waren. Sie wollen mehr Geld. Die Banken, schon immer führend in Geldgeschäften, haben dies klar erkannt : sie locken ihre Kunden nicht mit der Aussicht auf eine größere Wohnung, bessere Gesundheit oder den neuen, geräuscharmen und emissionsfreien CD-Player. Sie versprechen schlichtweg Zinsen — und das heißt noch mehr Geld. Auch der Einzelhandel scheint langsam mitzukriegen, wo der Hase läuft. Hier wird geworben mit dem Erhalt des bereits vorhandenen Geldes : Prima leben und sparen.
    Trotzdem — das Beispiel Herbert P. beweist es — erreicht die innige Beziehung des Deutschen zu seinem Geld ihren Höhepunkt im Kaufvorgang. Wenn nur die lästigen Waren nicht wären, die man sich dabei einhandelt ! Spielcasinobesitzer profitieren seit langem von der Einsicht, daß das Geldausgeben mehr Freude macht, wenn man danach unbeschwert von Tüten und Paketen nachhause gehen kann. Und vergleicht man die glücklich lächelnde Schöne am Roulettetisch mit der gestreßten Hausfrau an der Wursttheke, wird evident, was die Zahlen ohnedies beweisen : Waren sind ohne Wert. Geld dagegen ist ein Wert an sich.
    Viel ist in der Vergangenheit schiefgelaufen. Schauen wir uns doch einmal um in einer typisch bundesdeutschen Wohnung : Billignippes aus Keramik, Poyester-Spitzendeckchen, Kunstpflanzen und Bildbände, überflüssige Küchengeräte, Vasen, Duftlampen und diese ekelhaften kleinen gerahmten Pierrotbilder, wohin man auch schaut. Und der ganze Tinnef, so die Fachbezeichnung für den Preis, den man beim Geldausgeben bezahlen muß, bedarf nicht nur spezieller Möbel zu seiner Unterbringung, sondern blockiert auch jede Menge Wohnraum. Etwa 230000 Sozialwohnungen á 120 Quadratmeter, so die ebenso vorsichtige wie vorsichtshalber unter Verschluß gehaltene Schätzung des Bundespröllamtes, könnten allein aus dem Platzbedarf zugeschnitten werden, den ebenso viele mit Tinnef vollgestellte Wohnungen gleicher Größe einnehmen. Wie immer, liegt die Dunkelziffer natürlich auch hier höher — Insider der Tinnef-Branche sprechen von mindestens 50 Prozent.
    Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Die Vermittlung von Arbeitsplätzen ist bereits so gut wie freigegeben — warum nicht auch den logischen Folgeschritt tun, die Geldproduktion freigeben und dafür endlich die Produktion von Waren gesetzlich unterbinden ? »Das würde die Wirtschaft aber doch ruinieren, oder nicht ?« meint Carl-Heinz Filzstift, führender BWLer an der berüchtigt stockkonservativen Uni Übach-Palenberg. Filzstift ist — sancta simplicitas — der festen Ansicht, damit eine rhetorische Frage zu stellen. Männer wie er sind es, die den Tinnef dahin gebracht haben, wo er jetzt ist : in unseren Wohnzimmern, in unseren Küchen und Schlafräumen, ja sogar in den Zimmern unserer Kinder. Damit muß ein für allemal Schluß sein.

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