Und stehst du nervös am Telephon
Und du stehst und verstehst da nicht einen Ton,
Oder bist beim Zahnarzt — wenn er dich greift
Und dich mit dem Zahn durch die Zimmer schleift,
Und er zieht und er zieht und bricht alles entzwei —
In fünfzig Jahren ist alles vorbei.
Und platzt dir ein Knopf — am Hemd zumeist —
Und hast du ein Schuh’band, das stets zerreißt —
Und hast ’ne Zigarre du, die nicht zieht,
Und hast du ein Streichholz, das gar nicht glüht :
Nimm’ noch ’ne Schachtel, nimm’ zwei oder drei,
In fünfzig Jahren ist alles vorbei.
Und fälscht man dir Schokolade und Tee,
Und verspricht man dir echten Bohnen=Kaffee,
Und du merkst, daß der Kaffee — wie schauderbar ! —
Eine bohnenlose Gemeinheit war,
Dann schließ’ die Augen und sauf’ den Brei —
In fünfzig Jahren ist alles vorbei.
Und sitzt in der Bahn du ganz eingezwängt,
Und dir wird noch ’ne Frau auf den Schoß gedrängt,
Und die hat noch ’ne Schachtel auf ihrem Schoß,
Und du wirst die beiden Schachteln nicht los,
Und die Füße werden dir schwer wie Blei :
In fünfzig Jahren ist alles vorbei.
Und führst ’nen Prozeß du —
ertrag’ die Qual.
Und hörst du ’ne Oper — sie endet mal.
Und hast du Magenweh und mußt ’raus
Und da ist schon jemand, dann harre aus.
Wie lang es auch dauert, der Platz wird frei —
In fünfzig Jahren ist alles vorbei.
Und bist du ein Eh’mann und kommst nach Haus,
Halb drei in der Nacht — und sie schimpft dich aus,
Dann schmeiß dich ins Bette und sag’ : »Verzeih’,
Wär’ ich zu Hause geblieben, wär’s auch halb
drei.«
Und kehr’ ihr den Rücken und denk’ : »Nu schrei
!
In fünfzig Jahren ist alles vorbei.«
Und stehst du hier oben als Humorist,
Obwohl du bei den Zeiten traurig bist,
Und du merkst, dein Vortrag gefällt nicht recht,
Und du selber findest die Verse schlecht,
Sing’ immer weiter die Litanei :
In fünfzig Jahren ist alles vorbei.
Und fürchte dich nie, ist der Tod auch nah,
Je mehr du ihn fürcht’st, um so eh’r ist er da.
Vorm Tode sich fürchten, hat keinen Zweck,
Man erlebt ihn ja nicht, wenn er kommt, ist man weg.
Und schließlich kommen wir all an die Reih’ —
Und in fünfzig Jahren ist alles vorbei
Drum : Hast du noch Wein, dann trink’ ihn aus,
Und hast du ein Mädel, dann bring’s nach Haus
Und freu’ dich hier unten beim Erdenlicht.
Wie’s unten ist, weißt du — wie oben nicht.
Nur einmal blüht im Jahre der Mai
Und in fünfzig Jahren ist alles vorbei — —
Du Rindvieh, dann ist es vorbei !
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* Berliner Jargon. In etwa : psychotischer Schub oder
Rappel o.ä