Aus dem Tagebuch
des 4jährigena
W. Koslowski
Sack 1, Sediment 3, Schicht 7: Schriften
des 2-5jährigen
Gestern
ging ich so harmlos, wie Kleinkinder wie ich nun einmal sind, die Straße
entlang, um mir beim Kaufmann saure Drops oder eventuell etwas türkischen
Honig zu kaufen.
Auf einmal trat ein ungepflegter, stinkender
alter Mann auf mich zu, sah sich sichernd um und entblößte
dann asthmatisch keuchend, indem er seinen vor Schmutz starrenden Mantel
auseinanderschlug, ein knotiges, knorpliges, blaues und von syphilitischen
Erkrankungen völlig entstelltes Geschlechtsteil.
Meine
Kinderfrau spricht mir gegenüber, wenn die Rede auf das männliche
Glied kommt, gern vom Pillermann. Einer Scheußlichkeit,
die diesem Zerrbild eines Pillermannes auch nur nahegekommen
wäre, war ich jedoch bisher noch nicht begegnet. In diesem Augenblick
begann mir die mögliche interpretatorische Bandbreite von Begrifflichkeiten
aufzugehen, aber das nur am Rande.
»Mußt du Pipi ?« fragte
ich den offensichtlich obdachlosen und verwirrten Greis, der zur Antwort
jedoch nur einen meterlangen Spuckfaden aus seinem Munde entließ
und mich derart sabbernd ansah. Etwas anderes als diese Frage fiel mir
nicht ein — außerdem wollte ich der armen Kreatur noch eine
letzte klägliche Chance geben, sich einigermaßen anständig
aus der Affaire zu ziehen.
Nun bemerkte ich, wie ich leider selbst
die Kontrolle über meinen Körper verlor, weil mich angesichts
dessen, was ich nun mit ansehen mußte, der blanke Ekel überkam.
Denn nun begann der bedauernswerte, sicher
alkoholkranke Senior, an dem jämmerlichen, unförmigen Rest dessen,
was einmal seine Manneszier gewesen war, zu reiben und noch allerlei andere
Kunststückchen zu versuchen, sicher um diejenigen Zustände und
Ereignisse zu erlangen, die die Erwachsenen Erektion und Ejakulation
nennen. Allein, er bewirkte nichts anderes mit seinen trübseligen
Anstalten, als daß ein eitriges Sekret widerwillig und zäh
aus der Harnröhre seines warzigen Skrotums tropfte und den unzähligen
Flecken auf seiner Hose ein, zwei weitere hinzufügte.
»Scheiße, nicht einmal Kinder
belästigen klappt mehr« schimpfte der Mensch in einer seltsamen
Art von dümmlicher Melancholie. Dann bekam er einen Hustenanfall,
der sicher gute zwei Minuten dauerte. Hinterher schien er sich weder an
mich noch an irgendetwas anderes zu erinnern, denn ohne sein trostloses
Gerät wieder verstaut zu haben, ging er brabbelnd seines planlosen,
stumpfsinnigen Weges.
Wenn ich groß bin, will ich machen,
daß solche armen Menschen sich nicht so lange quälen müssen.
Meine Mutter, der ich den Vorfall berichtete
(natürlich bemüßigte ich mich ihr gegenüber desjenigen
Kleinkindercodes, den man von mir mit einigem Recht erwartet), bemerkte
Vater gegenüber, ich sei anscheinend dem sogenannten Lumpen-Arthur
oder Stinkemann, einem völlig erfolglosen und irrsinnigen
Künstler, zum Opfer gefallen.
***
a
Koslowski ist geboren 23.6.1906. Allein dieses Faktum genügt,
Senne der absichtlichen Fehldatierung und Lügerei zu überführen
weiter im Text
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