— Der Himmel ist heißer als die Hölle —

Paraphrase aus Applied Optics 11, A 14 (1972)

   Die Datenlage ist günstiger als die so manchen Radioastronoms, der hinter interstellarer Materie herrätselt und nicht mal Bestimmtes zu sagen weiß übers Dunkle Zentrum seiner eignen Galaxie. Sie, die Datenlage, ist das, kann das überhaupt nur sein, weil : unsere Quelle ist die Bibel. Und zwar vorzüglich der echte Jesaja. Soll die Textkritik zurückstehen, wenn man es auch bei den Poren der Kaffeefilter erreicht hat, daß sie stets feiner werden ? Der echte Jesaja ! kein Deuterojesaja oder Leute, die sich noch eins später aufs Trittbrett gestellt haben. Jesaja : man schmeckt den Unterschied. Der mit dem original Trauerflor und der unverfälschten Botschaft vom Unheil.
   Die aus Film, Funk und Fauna bekannte Idee ist freilich bestialisch. Doch wer sich noch unbefangen in der Welt umschauen kann, wird zugeben können, daß zum Beispiel das Spiel der hungrigen Löwin mit der fußlahmen Gazelle der Vorsehung ein gewaltiges Vorbild ist. Das Heil Israels ist ein Jojo aus wenig Zuckerbrot und viel Peitsche. Wie die Astrophysiker ein dumpfer Puls von Quasaren erreicht, kommt auf uns Nachricht vom Großen Jojo-Spieler aus der Privilegierten Württembergischen Bibelanstalt, ein Haufen Segen und Flüche, ein Kompost aus Drohgebärde, Gericht, Moratorium, Verheißung : und immer ist noch ein Konditional, ein Junktim Jahwes davor, den status quo zu retten.
   Meine achtjährige Tochter kam letztens zu mir, Lesezeichen in den prophetischen Büchern, und stellte mir leidenschaftlich und genervt eine Frage, die mir nicht ganz ohne einen Wissenschaft befördernden Gehalt zu sein schien : »Papa, dieses ganze Hickhack, dieses dauernde Hin-und-her — was eigentlich haben die alten Leute damals glauben sollen ? Warum macht dieser HErr nicht endlich mal Schluß oder führt wenigstens das Paradies ein ? Kommt auf den Seiten danach wenigstens noch was oder nicht ?« Fehler der Erziehung rächen sich unerbittlich. Dummes kleines Ding, dachte ich, danach kommt nur noch das Neue Testament — und auf Fragen, wie du sie stellst,habe ich noch an keinem Seminar Antwort bekommen. »Hast recht, kommt nichts mehr, kannst Spielen gehn«.
   Der in Rede stehende Text hebt also an, daß es also so sein soll, daß wir den Überzug unsrer gehauenen Bilder aus Silber und die enganliegende Bekleidung unsres gegossenen Standbildes aus Gold verunreinigen und wie Menstruierende dazu sagen : »Nix als wie Schmutz !« Zur Belohnung kriegen wir Regen für den Acker und die Erträge werden fett und ölig, unserm Vieh wirds gutgehn, unsre ausgewachsenen Esel werden mit Sauerampfer gewürztes Futter fressen, und zwar welches, das obendrein mit Schaufel und Gabel geworfelt worden sein wird. Nur vom Feinsten. In seinem JesajaKommentar legt einer der führenden Exegeten unserer Tage, Hans Wildberger, Wert auf die menschliche Note und erzählt aus seiner Kindheit im Schaffhauserland. Damals galt Sauerampfer noch als Kinderleckerli. Was aber liegt Jesaja 30 vor : simple Beschwörung von Fruchtbarkeit und Wohlstand oder Eschatologie ? Wir lesen weiter, daß die Veranstaltung am Tag des Großen Mordens, wenn die Türme fallen werden, wenn der Herr die schweren Wunden heilen wird, die er geschlagen stattfinden soll.

Der Wehe-Mann wird noch deutlicher, über die Intensität der Lichtpusteln als eine der neuen Konditionen der Schöpfung lesen wir : »Ferner wird das Licht des Mondes stark wie das Licht der Sonne sein und das Licht der Sonne wird siebenmal stärker sein als das Licht von sieben Tagen«. An sich nicht ungewöhnlich. Der Idee, das Anfang und Ende kosmischer Epochen oder der Schöpfung an dramatische Lichtphänomene geknüpft sind, hing man in Akkadien so nach wie in Ägypten, die sibyllinischen Orakel kennens und auch der äthiopische Henoch. Eine erneuerte und verbesserte Natur braucht mehr Watt — wer wollte das nicht einsehn.
   Als das Licht von sieben Tagen — eine ernste Klippe, an der die anschließenden Überlegungen von Applied Optics hängen. Luther scheidet diese Bemerkung aus, weil sie in Gh, der SeptuagintaEdition, die Origines in seiner Hexapla vorgenommen hatte, fehlt. Luther legte großes Gewicht auf die Septuaginta — war er doch des Hebräischen kaum mächtig. Metrisch allerdings ergibt sich kein bestechender Grund gegen die Glosse : sie ist tetrastichisch so gut lesbar wie pentastichisch.
   Entscheidend bleibt die Deutung des hebräischen Beth, eine dieser netten kleinen allesbedeutenkönnenden Präpositionen. Ists ein vergleichendes Beth, das zwei Siebenzahlen gegenüberstellt, oder ists ein Beth, das für die Multiplikation der zwei Siebenen steht ? Lectio difficilior — interpretatio difficilior. Wir stehen an einer Wegscheide, benehmen uns entsprechend und rechnen endlich : der Himmel erhält vom Mond soviel Strahlung, wie wir auf Erden von der Sonne erhalten, und darüberhinaus von der Sonne 7.7 = 49 mal soviel wie die Erde von der Sonne erhält, total also das Fünfzigfache. Das Licht, das wir vom Mond erreicht, ist 1/10000 des Lichts, das wir von der Sonne empfangen — eine Größe im Negligé. Diese Angaben genügen. Wir haben es weit gebracht, wir können die Temperatur des Himmels berechnen. Es ist nämlich so, daß die Strahlung, die auf den Himmel fällt, ihn bis zu jenem Punkt aufheizen wird, an dem der Wärmeverlust durch Abstrahlung gerade genauso groß ist, wie die Wärme, die durch Einstrahlung aufgenommen wird. Anders gesagt, der Himmel verliert durch Strahlung fünfzigmal soviel Wärme wie die Erde. Unter Verwendung des Stefan-Boltzmannschen Gesetzes für die Strahlung

     (H/E)4 = 50

   wobei E die absolute Temperatur der Erde — nämlich 300 K — ist, ergibt dies für die Temperatur H des Himmels 789 K (525 °C). Auch Wildberger kritisiert den Propheten, der hätte besser bedacht, daß - allein schon unter einer siebenfachen Sonne - alle Kreatur auf Erden verschmachten würde. Alles Fleisch, es ist wie Heu.
   Über die Temperatur der Hölle ist nach heutigem Erkenntnisstand nur soviel bekannt, daß sie unter 444,6 °C liegen muß, jener Temperatur, bei der Schwefel vom flüssigen ins gasförmige Aggregat übergeht — glauben wir gemäß Offenbarung 21,8 : »Aber die Furchtsamen und Ungläubigen sollen ihren Platz in dem See finden, der von Feuer und Schwefel brennet«. Jawohl, das sollen sie ! Ein See aus geschmolzenem Schwefel bedeutet eine Temperatur unterhalb des Siedepunktes von 444,6 °C. Oberhalb dieses Punktes wäre der Schwefel Dampf und nicht See. Und das soll er sein. Der Fluch mit der neuen Ultraformel im Nachfüllpack, der Umwelt zuliebe. Johannes von Patmos.

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