Didi Meisenkeiser in
:
Ein Tritt in den Arsch der Kunst
vorschriftsmäßig ausgeführt durch die Olle
von Günter Pfitzmann
(»Unser Heim soll schöner werden !«)
Eine Menge
Leiber auf dem Berliner Alexanderplatz. Eine kümmerliche Szenerie
! — Man kann förmlich vorstellen, daß sich hier Günter
Pfitzmann gern mit seiner Ollen einfindet. Günter trägt
einen schmuddeligen Mantel, um das Berlinerische zu betonen, und zeigt
auf den Fernsehturm, der wie ein sehr mächtiger Pipeline-Strang in
den Himmel ragt. »Noch nen Kaffee ?« fragt der kleine Mann,
hinter den Tresen einer Imbißstube geschissen zu gottverdammter
Filmschlacke aus den Vorabendserien. »Ich denke, so ein Kaffee ist
was Feines« sagt Günter zu dem Mann, »wenn er nur recht
stark ist«
Der Mann neben Günter, der zufällig
Christo ist, mustert eingehend den Fernsehturm. Dann legt sich seine Hand
auf die von eintönigem Mantelstoff verhüllte Schulter des Schauspielers
: »Das hätte mir früher einfallen sollen !« Sehr
sophisticated wirft er Günter einen Blick zu. »Was ? Ich verstehe
nicht« sagt Günter und reicht Christo einen Plastikbecher Kaffee.
Christo nimmt den Becher entgegen. Seine Finger zittern. Der Kaffee in
dem Plastikbehältnis schwappt und läßt eine helle Reifschicht
Kaffeeweißer auf seiner Dünung schaukeln.
Der Künstler ist völlig außer
sich.
»Dieser Turm in all seiner grauen
Substanz. Erinnert er nicht ein wenig an einen ziemlich unnützen
Beobachtungsposten des Lebens ?« »Tja, das ist schon in sexueller
Hinsicht ein ziemliches Denkmal« sagt Günter. »Steht
bei jedem Wetter«
Christo nimmt davon keine Notiz, dieser
gottverdammte Knacker. Die freie Hand bringt er auf seiner Gürtelschnalle
unter. »Oh mein Gott ! Dieser Turm ! Ich muß ihn verhüllen
!« Dann wendet er sich wieder Günter zu : »Dieser Turm
hat so etwas Transzendentes. Da verträgt sich nichts Grobstoffliches.
— Was meinen Sie ? Vielleicht Rauch ?«
Und Günter schaut in Augen, die auf
sehr eindrucksvolle Art und Weise in das Schloß dieses unruhigen
Künstlergesichts gefallen sind. Er wischt sich mit dem linken Ärmel
über die Lippen : »Paßt das nicht besser zur Gedächtniskirche
?« Und dann bombardiert er den Künstler mit seinen eigenen
Vorstellungen, was man verhüllen sollte und womit dieses zu bewerkstelligen
sei. Eine Stunde später ist Christo sturmreif geschossen. »Ja
gut« meint er. »Ich werde Ihr Wohnzimmer verhüllen. Was
halten Sie übrigens davon ? — Ich werde es so verhüllen,
daß der Bewegungsfreiraum zwischen Couch-Garnitur und Hausbar völlig
eingeengt ist. Welch schöne Reminiszenz an die späten 50er Jahre«
Ein Jahr danach steht Günter Pfitzmann
in der Tür zu seinem Wohnzimmer. Er mustert den eigenartigen Flaum,
der das Zimmer bedeckt. »Und was wird das, wenn es fertig ist ?«
fragt er. Günter sieht nicht aus wie jemand, der für diese Verschönerung
zu bezahlen gedenkt. Geistesabwesend hockt Christo auf den Knien und sprüht
noch etwas Schimmel auf eine vorwitzig glänzende Stelle der Wohnzimmertischplatte.
Wie ein Priester, der ein Heiligenbild anbetet. »Nicht schlappmachen,
Jungs« ruft er seinen Helfershelfern zu. Günter schenkt sich
noch einen Kaffee aus der Thermoskanne ein und wendet sich an seine Olle,
die sich gerade zu ihm gesellt hat. »Ist das Kunst ?« Seine
Olle mustert eingehend dieses Schimmelsszenario aus würgendem
Grün und sagt : »Ich glaub nicht mehr an diesen Dreck«
Günter wirft ihr einen verliebten Blick zu. Sie ist doch recht bemerkenswert,
die Kleene ! So verdammt preußisch direkt ! Die richtige Erziehung
halt !
Christo stemmt sich vom Boden hoch und jauchzt
: »Sehen Sie doch, welch Fenster zur Lebenslust ich aufgestoßen
habe« Günter und seine Olle wenden ihm den Rücken
zu. Sie scheinen aber sehr glücklich miteinander. Und Günters
Stimme schwelt wie Weihrauch mit Schuß in ihre fast zur Purpurröte
verfärbten Ohrmuscheln : »Morgen, mein Schatz, drehen wir eine
neue Staffel für Praxis Bülowbogen« »Fein«
antwortet sie. »Dann komm ich eventuell mal dazu, eine Abmagerungskur
zu machen« Doch schließlich kommt sie nicht umhin, ihren Günter
vorwurfsvoll anzustarren. »Also ich würde ja gerne etwas abspecken«
sagt sie, und ihr Blick ist auf einmal ganz traurig. »Aber du siehst
ja, wie das hier auf einmal aussieht. — Christo ist ein Künstler,
schön und gut. Was ich bloß nicht verstehe, ist, daß
du es nicht zustande gebracht hast, ihm zu sagen, er möge unser Wohnzimmer
ganz normal abdecken. Und morgen kommen schon die Maler, um das Wohnzimmer
neu zu tapezieren«
***
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