Freckling
Bernd Lüttgerding
Spervogel I. Spärlich drängt
Licht ins Eisgespinst, zerbricht zwischen laubigem Funkeln und vergeht
im Dämmerraum. Unsichtbar warnt eine Amsel von Jenseit. In dies Blätterbild
taut die Hand ein Loch, der Blick entwischt. Einzelne Wipfel hängen
versackt im Himmel. Unter Schnee kauert die Weide Welt. Das Dorf, hinten
bei der Fichtenborde, räkelt sich blaß. Klirren quillt von
dort, verwildertes Kinderkrähen, in Luft zerrieben. Ein Kaninchen
malt im dreibeinigen Lauf eine Purpurspur, von zwei Flügelschatten
eskortiert, hetzt weiter, weg. Hundeblaff als Echo bei Gehöften.
Grell trotzt Tag und eine Frostkaskade rauscht den Rücken hinab.
Der Ofen gähnt verloschen. Selbst in die Klausentür klammert
sich Eis. Knirschend gibt sie Ruck und Druck nach. Sofort kommt eine rauhe
Bö gesprungen, findet Lücken in der Kleidung und schlüpft
hinein. Den Waldrain entlang, achtsam durch den Stachelzaun, Auge am Boden,
halslos gekrümmt stapfen, sinken im harschen Weiß, zufällig
links, flusenumstäubter Karnickelrest, sehr zerzaust und entkernt,
vom Ast sattes Krächzen, fern´ Gestalten blähen Worte,
schwinden, bis endlich ein Windschatten Rast erlaubt. Nur kein Gedanke
an Leni bitte. II. Im Dickicht beim Weiler
krümmt sich eine goldene Made, beglänzt, was an Fratzen noch
im Himmel ragt und windet sich ins Nichts. Dunkelblau sickert aus Gesträuch
und Nischen, flutet die Wiese, macht erste Fenster glimmen, dort, im Fensternest.
Hier blakt der Ofen, spendiert kaum Wärme, spritzt nur ab und zu
einen Schauer Gelb aufs Gebälk. Mürbe, unter tauben Düften
entsprießt Mattigkeit. Bilder recken hundert Köpfe, kriechen
näher, umflechten und herrschen. Der Schritt tappt auf schwärzlichem
Laub. Ein Silberstrang ringelt sich ölig. Beidseits kümmern
fahle Buschreihen. Da erscheint der Berggarten. Umlohte Gipfel über
Tannenselenit und Kristallbrokat. Von der Tür her winkt Leni, —
danach aus dem Alkoven. Ach so, das Alkovenballett. Nein, ich kann doch
nicht tanzen. Eisspeere bilden eine Palisade am Balkon. Dann sind die
anderen, die Brüder, da. Der faunische Tanz beginnt. Leni —
verschwindet ganz darin. Bache und Eber aber stehn nahe bei. An verregnetem
Septembernachmittag hatten sie, zwei Nullen, nichts besseres zu tun, als
diesen Wurf auszuhecken. Ein großes Toben hebt an. Worte klatschen
aufs Parkett, oder platzen dicht darüber; ein Lachen flattert her.
Hier also hat meine Zeit ein Loch bekommen. War der Rückweg vom Berggarten
bedeckt mit schwarzem Laub ? Eine silbrige Schliere im Dunkel, —
das ist Lenililith auf der Stiegensprosse. Warum er nicht geblieben sei.
Er sitzt am Ofen in seiner Klause. Sie funzelt mit ihrem Wonneblick. Es
sei doch lustig, ausgesprochen lustig gewesen. Ob die Silberschliere wohl
Kokytos heiße. Das wisse sie nicht. Ekel jedenfalls sei ein Wort,
mit dem sehr bedächtig umgegangen werden sollte. Sie könne es
nicht ändern. Ein Rat ? Schlag dein Lager am Lethe auf. Ihre Füße
stehen eng beieinander, wie bei einer Katze, die sitzt. Nicht weit mehr
hinauf bei den Füßen, dort klafft das Glück. — Wer
hat das gesagt ? Ihre Schulter blößt sich. Begriffe knospen.
Schwarte !, brüllt von der Siedlung her die Kindstimme. III. Gemach gleiten große Wolken durchs Blau. Wo braun war, samtet grün. Vögel eifern in brünstiger Gebärdung. Krokusse nicken. Vom Forst tönt ein Kuckuck. Die schmale Kluft der Klausentür ist von Moos besiegelt. *** |