Rede von Karl Roßmann anläßlich
der Erdbestattung Waldemar Koslowskis
im Bremer Stadtwald
mitstenographiert
Meine sehr
verehrten Damen und Herren, obwohl, wie ich feststellen muß, nur
Herren zugegen sind, gleichwohl die Gebote der Höflichkeit die volle
Anrede einer wie auch immer fiktiven Trauergemeinde erfordern, es könnten
sich ja etwaige Damen, aus Gründen der Verschämtheit oder des
dem weiblichen Geschlecht eigenen Hangs zur Heimlichkeit, in den nur schwer
einsehbaren umliegenden Büschen oder hinter den mächtigen Bäumen
dieses schönen Parks verborgen haben, meine sehr verehrten Damen
und Herren, ich bin froh, daß die Initiatoren dieser feierlichen
und nicht gerade zu früh kommenden Bestattung unseres geliebten Mentors,
Freundes, Kampfgefährten mir — einem einfachen Kripobeamten
aus Hannover — erlaubt haben, bei dieser Gelegenheit das Wort an
Sie zu richten.
Kripobeamter, sage ich, und möchte
Ihren verwunderten Gesichtern gleich Erleichterung im Mienenspiel verschaffen,
insofern ich Sie darüber aufkläre, daß ich auch und gerade
als solcher durchaus befugt und begabt bin, hier zu sprechen, denn ich
bin leitendes Mitglied der Koslowski-Sonderkommission K5 beim Landeskriminalamt
Niedersachsen mit Sitz in Hannover. Hannover, sage ich, und sehe schon
den einen oder anderen ungläubigen Thomas mit der Frage schwanger
gehen, was zum Teufel die Hannoversche Kriminalpolizei, dazu noch auf
niedersächsischer Landesebene, mit Koslowski zu tun hat, so intensiv
tatsächlich, daß es mindestens 5 Kommissionen dazu braucht.
Aber genau darum spreche ich hier.
Als Abgesandter der K5, die von allen Kommissionen,
die wegen Koslowski eingerichtet wurden, die bei weitem wichtigste und
mit den größten Befugnissen ausgestattete ist, will ich Sie
hier, bei diesem eigentlich freudigen Anlaß, vor allem warnen :
der Feind, mit dem wir es zu tun haben, ist gefährlich. So gefährlich,
daß schon seit Jahrhunderten im niedersächsischen Raum vor
ihm gewarnt wird. Ich will nur ein Beispiel aus der Geschichte der Kriminalistik
Hannovers geben, um Ihnen die Gewißheit einer immerwährenden
Wiederholung des Immergleichen, wie sie sich beim Feind darstellt, auf
das Schlagfertigste vor Augen zu führen. Ich zitiere aus dem Hannoverschen
Polizeiblatt, 8. Band, von 1854 (an dieser Stelle hob der Redner die
Jahreszahl durch eine sich überschlagende Stimme besonders hervor,
Anm. des Transkribenten ) :
»Theils vom Weserstrome her, theils aus Holland, mittelst Schleichens
durch Ostfriesland, fanden sich nemlich nicht selten schlechte Subjecte,
deren Gemeingefährlichkeit man im Hanoverschen besonders in folge
der Wirksamkeit des Polizeiblatts schon kannte und beachtete, im Oldenburgischen
ein, galten entweder dort für ungefährlich oder wußten
sich doch dort zu verbergen, traten dann bei passender Gelegenheit über
die Hannoversche Gränze und schlüpften nach verübten Verbrechen,
sofern sie nicht auf der That ertappt wurden, ins Oldenburgische zurück«
Ich brauche in diesem Kreis von Eingeweihten
wohl nicht zu betonen, daß der Begriff »Oldenburgisch«
in seiner Weitgefaßtheit und Unschärfe eine geschickte Tarnung
des wahren Gebietes darstellt, jener Region, die Stadt zu nennen wir uns
scheuen, die aber — und hier muß man den Oldenburgischen,
die wir ansonsten gerne in unserem Bundesland zuhause sehen, tatsächlich
wegen der Erteilung der Stadtrechte einen Vorwurf machen — selbst
sich als solche sieht, jenes diffuse Gebilde, angeschlossen an das Schienennetz
der Deutschen Bahn, das sich selbst nennt : DELMENHORST.
Ja, da sehe ich Sie zusammenzucken. Und
gleichzeitig scheinen dieser Ort und diese Gelegenheit, die feierliche
Bestattung unseres verehrten Freundes und Führers Waldemar »K5«
Koslowski, nicht passend für eine tiefere Betrachtungsweise Delmenhorsts,
da doch unser allgemeiner Abscheu trotz großer Widerstände
auf die Person des geliebten Verstorbenen abfärben könnte —
wissen wir doch alle, wie tief er mit und in dieser Stadt verstrickt war.
Denken wir.
Und darum bin ich hier. Denn der Tod und
das Auffinden der Leiche Koslowskis wie überdies die schändliche
Vergessenheit Koslowskis bei den Einwohnern Delmenhorsts, die wir als
Indiz für einige Ungereimtheiten nur zu gerne übersehen, werfen
einige Fragen auf (An dieser Stelle Schluckgeräusche beim Redner,
Stöhnen im Publikum - der Transkribent).
Lassen Sie mich einige dieser Fragen aufwerfen
:
1. Hat Koslowski wirklich in Delmenhorst
gelebt, oder war vielmehr Delmenhorst sein Tod ?!!!
2. Wieso war der Transmissionsriemen seiner
Honda Dax an zwei Stellen stümperhaft (wahrscheinlich mit einem Brotmesser
aus Delmenhorster Eigenproduktion) angesägt ?
3. Warum riechen die Kleider Koslowskis
heute noch nach Linoleum ?
4. Wo kaufte Koslowski wirklich seine Brötchen
? War es tatsächlich — wie manche behaupten — am zentralen
Omnibus-Bahnhof Delmenhorsts, oder war es nicht vielleicht — wie
wir mittlerweile ermittelt zu haben glauben — das Roland-Center
in — und ich betone das — BREMEN, wo er sich mit linoleumfreien
Backwaren versorgte, immer aus der Befürchtung heraus, einer schleichenden
Vergiftung zum Opfer zu fallen ?
5. War er wirklich Abonnent des Delmenhorster
Kreisblattes ? Das wissen wir mittlerweile aber besser, meine Herren.
Diese fünf Fragen nur zur Anregung.
Ich hoffe, Sie haben einen Begriff davon bekommen, welch ungeheure Arbeit
noch vor der Koslowski-Sonderkommission K5 liegt, und welche übermenschlichen
Anstrengungen wir unternehmen müssen, um endlich Licht in das Dunkel
der immerwährenden Delmenhorster Nacht zu bringen. Sie werden auch
verstehen, daß ich aufgrund der politischen Implikationen viele
Dinge hier nur andeuten darf, die Sache ist heikel und schon der kleinste
Fehler oder die kleinste Unachtsamkeit, das falsche Wort an der falschen
Stelle, ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl usw. könnten 25 Jahre
Ermittlungsarbeit, mein Lebenswerk und das vieler Kollegen zunichte machen.
Dennoch, um einer Enttäuschung Ihrerseits,
die Sie doch ausgewiesene Freunde, Bewunderer, Anbeter, wenn nicht gar
Sexualpartner des Verstorbenen waren, vorzubeugen, habe ich — nach
Rücksprache mit den anderen Koslowski-Sonderkommissionen —
ein paar Leckerbissen aus unserer Ermittlungsarbeit zusammengetragen,
die Sie mit der ansonsten fleißig geübten Diskretion in meinem
Vortrag versöhnen sollten (An dieser Stelle zahlreiche Ohs und
Ahs im Publikum - d. TrsSkrib). Ich referiere in fünf Punkten
:
1. Waldemar Koslowski ist nicht, wie oft
irrtümlich gemeint wird, mit dem polnischen Filmschaffenden Krzysztof
Kieslowski in irgendeiner Weise verwandt, verschwägert oder auch
nur zu verwechseln. Dieses ärgerliche Mißverständnis hat
unsere Arbeit oft auf das unerträglichste erschwert und wir sind
es eigentlich leid, immer wieder darauf hinzuweisen. Also, Leute, reißt
euch zusammen, ihr wißt doch, wie sehr das Katholische ihm zuwider
war.
2. Als Minigolfspieler war er, entgegen
anderslautenden Gerüchten, eher medioker. Darum schlage ich vor,
auch hier in Bremen das Waldemar-Koslowski-Gedenk-Minigolf-Masters abzuschaffen,
wie wir es bei der Hannoverschen Kripo bereits getan haben.
3. Schuld am Tod von Waldemar Koslowski
war natürlich die AFG/AO, die im übrigen mit Hamburg nicht das
geringste, mit Delmenhorst aber alles zu tun hat.
4. Ein später noch zu ermittelndes
Mitglied der WKGFFK wurde in der Hamburger Kunsthalle beim Betrachten
von Fitger-Malereien beobachtet. Da sehe ich schon ein ängstliches
Gesicht — mach Dich auf was gefaßt, Freundchen.
5. Die AFG/AO ist gar nicht aufgelöst.
Die entsprechende Erklärung ist eine — ich spreche hier nicht
nur im übertragenen Sinne — Delmenhorster Nebel- wenn nicht
gar Stinkbombe.
Soweit so gut. Ich bin stolz, hiersein zu
dürfen. Die Auffindung der Leiche Koslowskis ist ein Triumph. Die
mysteriösen Umstände dabei sind noch eingehend zu untersuchen.
Lassen Sie mich Ihnen eins versichern : die Koslowski-Sonderkommission
K5 wird das ihre dazu beitragen.
Lang lebe Koslowski, auch wenn er lang schon
tot ist.
Ich danke Ihnen. (Langanhaltender Applaus,
Hochrufe, Freudentränen - der TS.)
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