Gespiekt
auf Atilla von Wieders Nachttischchen:
Hanns Heinz Ewers
Geleitwort zu : Eugen Krieglstein
(von Binder-Krieglstein) : Aus dem Lande der Verdammnis
Er war ein
Prachtkerl, der Binder-Krieglstein ! War einer, der das glühende
Leben in alle Poren einatmete und schier unersättlich in sich hineinfraß.
Einer dazu, der wieder Leben ausstrahlte, wo immer er war.
Sturm liebte er und Sonnenschein. Und wo
er schritt, ein lachender Abenteurer, da lachte die Sonne und heulte der
Sturmwind.
So einer war Eugen Krieglstein.
So waren, mehr oder weniger, alle Krieglsteins.
Familienerbtum.
*
Eigentlich
sind die Krieglsteins ein alemannisches Geschlecht. Aber aus dem Elsaß,
wo sie durch lange Zeit saßen, kamen sie, um das Ende des siebzehnten
Säkulums, in die Steiermark — aus der Westmark des Reiches
in die Südmark. St. Georgen heißt ihr Stammschloß; es
liegt bei Wildon in der Nähe von Graz. Eine alte Wasserburg, die
sich wandelte mit den Stilen der Jahrhunderte; die Schloßkapelle
ist der älteste Teil. Das Majorat ist ein Waldgut, viel Schwarzwild
streicht durch das Buschwerk.
Eugens Vater war Offizier. Später,
auf St. Georgen, war er Forstwirt; beschäftigte sich daneben mit
Militärwissenschaft. Schrieb ein Werk über den Radetzkyfeldzug,
den er mitgemacht hatte.
Zwei Töchter und fünf Söhne
hatte er. Wilde Bengel. Wenn sie sich erzürnten, gingen sie mit Messern
aufeinander los — ob solchen Streites liebten sie sich nicht weniger.Und
die Lust zum Abenteuer trieb sie hinaus, kaum daß sie flügge
waren.
Einer verscholl in Amerika. Ein anderer
kehrte nach Jahren zurück, still und krank, siechte dahin. Als er
starb, kamen fremde Frauen hergereist, ein halbes Dutzend. Folgten seiner
Bahre.
Ein dritter war Offizier in österreichischen
Diensten; schon als Leutnant begann er militärwissenschaftlich zu
schreiben. (Das ist auch eine Familienerbschaft bei den Krieglsteins,
daß sie alle zur Feder greifen.) Der deutsche Generalstab wurde
auf den jungen Mann aufmerksam, bewog ihn, in preußische Dienste
überzutreten. Als der russisch-japanische Krieg ausbrach, ging er
als Berichterstatter eines Berliner Blattes in die Mandschurei; in den
Straßen Charbins fand man ihn eines Tages erschossen.
E u g e n Krieglstein wurde 1873 geboren.
Er ging sehr früh zur Armee, war bis 1896 Leutnant in einem siebenbürgischen
Jägerregiment. Das nächste Jahr fand ihn in Kreta während
des griechischen Aufstandes gegen die Türkenherrschaft; dann nahm
er türkische Dienste und war einige Jahre beim ottomanischen Auswärtigen
Amt. Aber schon 1901 machte er die Venezolanische Revolution Castros mit,
um gleich darauf sich einer Expedition anzuschließen, die ihn tief
ins Innere Chinas brachte.
Nach wenigen friedlichen Jahren, die er
in Indien und auf den Sundainseln mit Jagden zubrachte, kehrte er zum
Boxeraufstande nach China zurück, machte dann den russisch-japanischen
Feldzug mit. Anschließend dann streifte er weitere vier Jahre durch
die Mandschurei, die Mongolei, China und Korea; lernte so Ostasien kennen
wie kaum ein zweiter.
1910 war er wieder in Amerika, 1911 auf
dem Balkan — zwischendurch natürlich öfter zu kurzem Besuch
in der Heimat. 1911 und 1912 machte er in Tripolis den türkisch-italienischen
Krieg mit. Noch dasselbe Jahr sah ihn erst in Montenegro, dann in dem
Aufstandsgebiet der Arnauten. 1912 und 1913 nahm er an den Balkankriegen
teil; als diese beendet waren, durchstreifte er auf eigene Faust Albanien.
1914 machte er die mejikanischen Wirren mit, um bei Ausbruch des Weltkrieges
sofort über die Vereinigten Staaten den Weg nach Europa zu nehmen.
Es gelang ihm auch, als einem der ganz wenigen, mit einem amerikanischen
Paß auf einem holländischen Dampfer durchzukommen — das
war das letztemal, daß ihm sein sprichwörtliches Glück
treu blieb. Er trat sogleich wieder in die österreichische Armee
ein — schon am 14. September aber traf ihn die Kugel, die ihm vom
Schicksal bestimmt war.
*
Viel ist
über die Mandschurei geschrieben worden — erfaßt in ihrer
wilden Romantik hat sie keiner so voll wie Binder-Krieglstein in seinen
Werken »Im Lande der Verdammnis« und »Zwischen Weiß
und Gelb«. Kraß und scharf, in Liebe wie in Abneigung, aber
doch stets mit der unbewußten sicheren Gerechtigkeit des Gentleman.
Er haßt die Japaner — dennoch hat er diesem Volke in der Figur
des A t sa m i S h i be r t o ein wundervolles Denkmal gesetzt.
Er verabscheut die Chinesen — dennoch hängt er mit rührender
Liebe an seinem »D i e n e r K a r l« (Tuan-fu-tscheng).
Die griechischen Glücksritter betrachtet er kaum mehr als Menschen
in seinem Sinne — und wie sympathisch wirkt dennoch sein junger
Abenteurer K y r i o s B o r um i s . Alle christlichen Missionare
sind ihm in der Seele zuwider —das hindert nicht, daß er dem
französischen Geistlichen, P è r e G a s p a r
d, ein hohes Ehrenmal errichtet.
Koreaner und Mongolen — die er besonders
liebt —, Engländer, Deutsche, Polen, Amerikaner, Chinesen,
Mandschuren, Griechen, Kosaken, Franzosen, Schweden, Japaner und natürlich
Russen — ein wildes Völkergemisch brodelt in diesem Hexenkessel
der Mandschurei. Und Eugen Krieglstein schwimmt mitten darin — faßt
das alles nicht als ein kühler Beobachter, sondern als ein heißblütiger
Mensch, dessen Schicksal es ist, immer Neues und immer Abenteuerliches
zu erleben. Ein Mann, gewiß mit allen Fehlern seiner Rasse und seiner
Klasse, aber ebenso gewiß mit all ihren großen Vorzügen
und Tugenden. Einer, dem ein wildes und reiches Leben beschieden war und
der es austrank bis zum letzten Atemzuge.
Berlin,
15. Februar 1927.
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