Karl Roßmann

Statt eines Vorwortes

»Jetzt ist schon seit zwei Jahren kein Salmoxisbote mehr erschienen« schrieb uns Martin G., ein oldenburger Wasserbaustudent im 20. Semester. Das war 1998 und wenig glaubhaft. Denn damals gab es den Boten noch an jedem Kiosk zwischen Oldenburg und Huchting und auch in Bremervörde wurde das »Zentralorgan« (Attila von Wieder) noch eifrig studiert. Dann aber gab es Gründe, den öffentlichen Vertrieb der »wichtigsten Zeitschrift seit 1973« (W. Koslowski) einzustellen und nur noch den bekannten Untergrundvertriebsweg zu nehmen, denn »es gibt eine Zeit zum Handeln und eine zum Handeln, und die eine bringt Geld und die andere bringt Ruhm und das Geld dann später« (derselbe). Schon weil auf dem Untergrundvertriebsweg keine Aborechnungen eingetrieben und keine Unkostenbeiträge erhoben werden können, ist die dort betriebene Auflage klein und kommt kaum über eine Ziffer von etwa 4 bis 5 hinaus. Auf diese Weise blühten die letzten 12 Ausgaben des Boten eher im Verborgenen.
     Warum aber das ? Warum dieser Gang in die toten Briefkästen und unter die Ladentische ?
     Es gab halt viel zu tun. Die Kohl-Regierung mußte vor allem abgelöst werden, um Schröder endlich aus Niedersachsen heraus und Glogowski an die Spitze des Landes zu bringen. Daß er sich dort nicht halten konnte war natürlich auf eine Intrige aus der Fitgerstadt Delmenhorst zurückzuführen, machte aber nichts, denn es gab immer noch die ausgezeichnete Tarnung in Form des Autozubehörhandels Koslowski in der Straße Schulterblatt in einer anderen Fitgerstadt namens Hamburg, wo »Kamerad Waldemar« (Attila v. Wieder) sich im Hinterzimmer mit einer Standleitung zum Deutschen Sportfernsehen ausruhen konnte1, während ringsum die vorbereiteten Entscheidungen fielen wie überreife Früchte vom Baum. Unter dem Namen Schreiber sorgte A. von Wieder von Kanada aus für den entscheidenden Schlag gegen Schäuble, dann schmeckten der Reihe nach die Expo, die Budgetplanung für die Transrapidstrecke Köln-Frankfurt und das italienische Eiscafé im Schulterblatt, das sich geweigert hatte, für Koslowski ein Grappa-Eis2 zu entwickeln, die harte Faust des Iprumpers. Der Schlußstein im Bau der Zerstörung : Erich Ribbeck (»... der muß auch noch weg«, W. K.) kam zu Fall und der Weg war frei für Rudi Völler. Eigentlich hatten wir zu diesem Zeitpunkt die Dinge schon offenlegen wollen. Allein es kam gerade rechtzeitig dieser Brief an die Redaktion des Boten : »Haltet noch einen Moment den Deckel drauf, Sportsfreunde. Eure Pullacher« Wir sind nicht solche, die sich den Wünschen der Pullacher verschließen. Wir warteten noch das eine Jahr, in dem das Autozubehörgeschäft Koslowski abgewickelt wurde (»Großer Räumungsverkauf — alles zum halben Preis oder weniger, umsonst ist der Tod« — Attila von Wieder) und gaben dann den Weg frei für die Wahrheit, die auch jener Leser, der nicht Teil des Untergrundvertriebswegs ist, spätestens jetzt geahnt haben muß, auch wenn er sich noch nicht traut, es offen auszusprechen : Koslowski lebt. »Mehr denn je«, wie er selber sagt. Und wenn Koslowski lebt, darf der Bote nicht tot sein. Oder, wie es der Meister einmal in seiner unnachahmlichen Art formuliert hat : »Es wird einen Boten geben, und es wird einen Weg geben, und der Bote wird ihn gehen, und es wird ein Ziel geben am Ende dieses Weges, und der Bote wird dort ankommen, und dann wird er wieder zurückgehen müssen«.
     Dem ist von uns aus nichts mehr hinzuzufügen.

Nach Diktat verreist

____________

1 Folgende Episode könnte unter der Überschrift Wenn ein Gewaltiger mal austreten muß stehen. Koslowski nämlich ließ keine Zeit ungenutzt verstreichen. Koslowski, den in Sachen Weisheit und Charakter von Sokrates wenig mehr als das bessere Aussehen unterschied, wußte, daß nicht einmal er in sämtlichen Details wissen konnte, was genau alles geschehen wird. Und in weiser Voraussicht genau dessen, setzte er sich einem extrem abhärtenden Training aus. Unter dem Einfluß von Brause und Holsten dehnte Koslowski die Grenzen unglaublicher Belastbarkeit seiner Vesica urinalis immer weiter, sah eines Tages sich aber doch — entgegen seiner Überzeugung — gezwungen (Ich bin gegen Zwang / Sollen andere zwingen / O verfluchter Drang / der mich zwingt zu Dingen — W. Koslowski. Aus den in Vorbereitung zu einem Sonderdruck befindlichen Motti zu den Nachtgesängen zur Beförderung der Aufhebung roher Naturgewalt), dem Ruf der Natur, wie Koslowski, der nicht prüde war und nicht allein pikante Sachverhalte gern und oft bei ihren Namen zu rufen pflegte (war er doch, s.o., ganz Mann der Kunst, alleseinkleidender Sonette und nichtsbeschönigender Triptychen — außerdem litt er, eine Folge salomonischen Alters, an einer milden Form der Inkontinenz), zu folgen. Koslowski also trat aus dem Hinterzimmer, und dieweil er den Verkaufsraum auf dem Weg zum Ort, wo auch ich allein bin (W. Koslowski. Ein Ort, an dem Er ist, ist nie ein ›Örtchen‹, und auch ist es nie still — pflichtete Richard Knospe bei), querte, öffnete sich die Ladentür und begehrte unversehens ein ausländischer Mitbürger heftig einen Knauf für die Knüppelschaltung des Golf-Rabbit GTI. Für solche Fälle verfügte der Irische Frühling über einen ausgeklügelten Plan und Attila von Wieder. Der hatte sich die Woche zuvor noch für das Große Stuben- und Revierreinigen eingeteilt und war nun turnusgemäß Dienstleister von Koslowski-Autozubehör Unltd. Gewohnt zu befehlen, bediente er (Golf, da kenn ich mich aus), reagierte schnell und fingerte einen Golfball aus der Jacke (Hier, nimm den, arabischer Kamerad, paßt irgendwie, oder ?) und gab so Koslowski die Minuten, geistesgegenwärtig zu reagieren. Was Koslowski auch tat. Denn er setzte nicht den Gang aufs Klo fort, sondern verschleierte vielmehr seine Zugehörigkeit zum Laden, indem er ihn verließ und auf der Straße, wild gestikulierend auf die Drogerie gegenüber weisend, die Worte sprach : Bin im Laden. Kurze Zeit später formierten sich in Kenia die ersten Truppen des saudischen Multimillionärs Osama bin Laden weiter im Text
2 Vgl.vorliegenden Boten Und es war Sommer. Es war demzufolge näher Grappa mit Minzgeschmack weiter im Text