Dokumente aus den Dunkelkammern religiöser Wahnideen ——

Nächtliche Heilungsrituale am Sodenmattsee
beobachtet und bekannt von einem Liebhaber des Voll-Faustischen

   Geheimnisvoll, grausig und sinister lag der Sodenmattsee im Spätherbstnebel. Als einer der letzten hatte ich das Lokal der Bezirkssportanlage Huchting verlassen. Mit bemerkenswerter Bettschwere ausgestattet und nunmehr auf dem Heimwege befindlich, hatte ich bis zu diesem Augenblick geglaubt, mich Richtung Huchtinger Heerstraße zu bewegen. Als wie weit gefehlt erwies sich nun dies !
   Enten schnatterten gelinde im wirren Unterholz; allerlei Nagegetier rumorte am Ufersaum. Ein kühler Wind blies. Doch das war nicht alles, was in dieser trüben, schattendurchwebten Nacht am Sodenmattsee vor sich ging. Da waren Stimmen. Eine Art von Chorsprechen. So etwas wie eine Litanei. oder die Begleitung zu einem bedeutungsschweren, gemessenen und archaischen Schreittanz. Bald konnte ich die Worte verstehen; der Wind trug sie zerflattert, doch deutlich zu mir herüber :

Rundherum und hin und her,
ho jo ho, das ist nicht schwer.
An diesem alten Ort der Kraft
ermessen wir, was in uns schafft.
Was wirkt und strebt und heilig schwingt,
was neues Leben, Wahrheit bringt.
Rundherum und hin und her,
ho jo ho, das ist nicht schwer.
Hilla lilla !

    Plötzlich sah ich klar. Dies mußte ein Ritual sein, eine heidnische Zelebration der neuen Stedinger, dieses berühmten Ordens von Schülern des Schulzentrums Delfter Straße, Grollander Kleingärtnern und rechtsgerichteten Lehrern aus Delmenhorst ! Ein Heilungsritual jener legendenumwitterten Bruderschaft, die sich im Kleinanzeigenteil des Huchtinger Markt chiffrierte Botschaften betreffs neuer Zusammenkünfte zuspielte ! An diesem Punkte meiner Betrachtung fiel ich leider in den See. Das Mißgeschick blieb nicht unbemerkt. Rasch fand ich mich umringt von den pittoresk in historische Bauerntrachten gewandeten Bundesgenossen. Was dann mit mir geschah, mag ich Uneingeweihten nicht gern berichten. Es hatte aber, soviel sei doch gesagt, mit sehr viel Bier zu tun, mit Salbungen kraft Entenscheiße, wilden Drohungen gegen den Papst und den Bischof Gerhard von Bremen sowie der Prophezeiung des kommenden freien Friesenreiches zwischen Grolland und Ganderkesee. Ja, ich wurde von den Neuen Stedingern aufgenommen.
   Alles weitere steht im Huchtinger Markt.

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