Martin Jordan

Waldemar Koslowski,
Literat und Lebenskünstler

oder:
... UND ZACK !


     Als der hoffnungsvolle Delmenhorster Nachwuchsschriftsteller Waldemar Koslowski am 22. 8. 1974 fast 67-jährig starb (er fuhr mit seiner Honda Dax in den Varrelgraben und ertrank), nahm fast niemand davon Notiz, weder in Delmenhorst noch woanders.
     Man hatte nämlich zu diesem Zeitpunkt in weiten Kreisen der Literaturszene die Hoffnung auf das große Werk, das Koslowski und natürlich auch seinen Heimatort Delmenhorst berühmt machen sollte, beinahe aufgegeben.
     Dabei hatte Koslowski durchaus zu großen Erwartungen in dieser Richtung Anlaß gegeben. Er war im Exil gewesen — oder sagen wir besser, er war zufällig von 1933 bis 1945 wegen eines nicht näher bezeichneten Delikts in Kanada im Gefängnis. Man kann aber mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß es mit Bärenwilderei zu tun hatte, denn dieses Vergehen zieht sich ohnehin wie ein roter Faden durch Koslowskis Vita. Wie dem auch immer gewesen sein mag, Koslowski wird bei seiner Rückkehr Kopf der Delmenhorster Trümmerliteraturszene, die personell weitgehend identisch ist mit dem N.S. Verband Deutscher Heimatdichter Ortsgruppe Delmenhorst, der 1945, überraschend für alle, aufgelöst worden war.
     Während der Studentenunruhen weilt Koslowski in Frankfurt und Berlin, wo er sich durch besonders markiges und entschlossenes Mienenspiel bei Diskussionen und Versammlungen hervortut. Noch heute bezeichnet ein Koslowski in Berlin einen »wichtigtuerischen Menschen mit Hornbrille und Parka«.
     Unvergessen ist auch der Hungerstreik Koslowskis, nachdem ihm der PEN-Club unter der fadenscheinigen Begründung, er habe ja noch nie eine einzige Zeile veröffentlicht, die Aufnahme verweigert hatte. Drei volle Tage dauerte diese erschütternde politische Aktion damals — drei Tage, während derer die Welt den Atem anhielt.
     Der PEN-Club mußte sich dem Druck der Weltöffentlichkeit (u.a. intervenierten Wolfgang Koeppen, Heinrich Böll, Sir Yehudi Menuhin und Loriot) beugen und nahm Koslowski, wie es scheinheilig hieß, »unter Vorbehalt« für zwei Jahre auf : sollte Koslowski nicht innerhalb dieser Frist etwas veröffentlichen, würde man sich gezwungen sehen, Koslowski wieder auszuschließen. »Kein Problem« hatte Koslowski immer gesagt, »mein Schreibtisch quillt förmlich über von Material und fertigen Werken. Allein aus der Exilzeit habe ich 10 Sack Essays und Erzählungen und einen großen Roman, der im Kloster spielt. Ich brauche nur etwas zusammenzustellen, zum Verlag zu gehen — und zack !« Dies mag auch der Grund dafür zu sein, daß Kiepenheuer & Witsch, Suhrkamp und Insel dem Konto von Koslowski, der inzwischen in vierter Ehe mit der 18jährigen Ina Gerken verheiratet war, monatlich 5000 Mark gutschreiben ließen.
     Als Koslowski mit seiner Honda Dax verunglückt war (er wollte von seinem Wohnort Iprump rasch noch zum Sodenmatt fahren, um die Alkoholvorräte aufzufrischen, wie er seiner Frau sagte), ging der Welt ein (mutmaßlich) großer Schriftsteller und ein (bewiesenermaßen) starker Zecher verloren. Der Schreibtisch des Meisters aber war leer. Man nimmt zugunsten Koslowskis an, daß die Manuskripte gestohlen wurden. Vielleicht von diesem jungen Semiotik-Professor aus Bologna, der sich immer um Koslowskis Haus herumdrückte. Obwohl die Lästermäuler, die meinen, Koslowski habe nie eine Zeile geschrieben, wenn man von der Unterschrift unter dem Offenbarungseid von 1960 einmal absehe, immer noch nicht verstummen wollen.

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