Maren Hoffmann

Mietsogynie

ein neues Phänomen ?

(aus : Vierteljahresschrift »Neue Beiträge zur Idiosynkrasie«, 2/1993)

Vermieter Sibirius von Wolkenbruch, der 1154 ein »Driwantzimmer« für 1230 Gulden vermietete, schrieb schon drei Wochen nach Abschluß des Vertrags an seinen Mieter : »Ick gihorta dat seggen, dat sih urhettun groß Lärm und mannig Gewusel in iuwerem zimern, so ick vermitet hab zuo wenig gulden in vortrefflicher Lage, citynah«. Sein Mieter, Leisewein von Armsiedel, entgegnete : »So han ich bekampfet die ratzen und fliggen, han fliessendes gewazzer, wo solhes nit solte sin, und solt iuch anheischig vinden, mines wonens zuo klagen ?« Sibirius klagte daraufhin auf »min eigen petarf«, der vom Dorfgericht zu Eschenbach jedoch abschlägig beschieden wurde, da Sibirius noch über drei Burgen und etliche kleinere, aber lukrative Pfründen verfügte.
Als jedoch Leisewein im Winter ein vorsichtiges Schreiben durch den Dorfbüttel überbringen ließ, in dem er Sibirius aufforderte, »for ein lützel wärm sorg zu han« und die »grozen ratzen des wegs zu weisen« sowie endlich »die viertt want anbringen zu lan, die ir lang zuo gesaget«, konterte Sibirius mit einem weiteren Schreiben, das die Witwe des Büttels überbrachte : »manig we ist minem huose geschehn durch daz wonen, daz ir verübet. So ir gehet in daz hus, hebet ir, wie mine frouwe selbsten gesach, kaum die füz und nutzet den poden ab; auch kommen gäst, so den prunnen leeren, daz er nit wazzer gnug hat für das washen miner purg, daz ick täglich lazz mahen; so ez regnet ein lützel hinein, ist daz von schaden nit, kumen doch der üblen gerüch sonsten vil uz iurer türe. Ouch pflagt der rehten ordnung nit, sondern gehet daz gesindel innen und uzen, daz mans nit zelen kan, und schreit lut und machet lärm, daz man denket, daz vie treibts miteinand«.
Leisewein von Armsiedel verzichtete, um die Wohnung, die in attraktiver Lage kaum ein Viertelstündchen Wegs vom nächsten Brunnen entfernt lag, nicht zu verlieren, künftig auf Besucher. Aber Sibirius reichte das nicht : »So ir leset beym liht der kerzen, machet das dach gar dicke swarz von innen, daz niemen künftig sehen wil an min hus. Sol ick in der zit noch andern vinden, so bewonen soll daz zimer, muozet ir ersezzen farb und arbeit von der kaution, so ir gezalet han«.
Ehe der Streit jedoch ein weiteres Mal vor das Dorfgericht kommen konnte, machte sich ein spät versprengtes Rudel Hunnen daran, Sibirius´ Burgen und Häuser zu schleifen. Sibirius selbst wurde erschlagen; so blieb ihm der qualvolle Anblick erspart, wie die Krieger sich weigerten, seine Frau zu schänden.

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* Lieber R., betrachte dieses Sternchen sehr genau. Noch einmal. Und nochmal. Hier siehst du es noch einmal (nein, es läuft nicht auf den Identitätsdiskurs hinaus) : *.

Dieses Sternchen steht für eine relativ lange Haßtirade gegen meinen Vermieter, auf die ich zugunsten des beigelegten Artikels schweren Herzens verzichte, ist dieser Mann doch kaum das eine Zeichen (*) wert — er meinte heute, vielmehr, seine Frau meinte heute, mir einen Vortrag über Ordnung halten zu müssen — O-Ton : »Weiß Ihre Mutter eigentlich, wie wüst es bei Ihnen aussieht ?« Ihr Sohn (der ja hier die Fenster reparieren soll) habe ihr davon erzählt — »Und wenn sogar Männer es schon unordentlich finden !« Undsoweiter. Ich konterte mit einer Erzählung vom verwüsteten Garten und ausgerissenen Blumen — sie zieh mich daraufhin der Lüge, und ich brach die mir damit sinnlos geworden erscheinende Diskussion ab. Ich verschone dich mit weiteren Einzelheiten. Ich bin zu verzärtelt durch das akademische Diskussionsklima, als daß ein Gespräch wie das heutige einfach so an mir vorbeigehen würde; so ärgere ich mich weniger über die beschränkten Kleingeister (nur weil´s so schön ist : noch ein Zitat von Frau W. : »Sie sollten sich weniger um Ihr berufliches Fortkommen kümmern und lieber mal die Küche in Ordnung halten«) als über mich selbst, weil ich eben doch nicht so cool darüber stehen kann, sondern mich tatsächlich aufrege. Nun aber endgültig genug davon.

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