NICCOLÒ MACHIAVELLLI
AM 8. DEZEMBER 1509 AN LUIGI GUICCIARDINI
Verdammt, Luigi ! Wie
doch Fortuna in ein und derselben Sache die Menschen unterschiedlich bedenkt.
Ihr habt eine zum Vögeln, Ihr habt sie gehabt und wollt gleich noch
mal. Ich dagegen war hier schon eine ganze Weile und war ganz blind vor
Verlangen. Da traf ich eine Alte, die mir die Wäsche macht. Sie wohnt
im Souterrain, und Licht kommt nur zur Tür herein. Wie ich eines
Tages dort vorbeigehe, erkannte sie mich und begrüßte mich
lauthals. Sie lud mich ein, hereinzukommen, weil sie mir einige schöne
Hemden zum Kauf zeigen wollte.
Ich Einfaltspinsel fiel doch glatt darauf
herein und wie ich drinnen war, sah ich im Zwielicht eine Frau mit einem
Tuch über Kopf und Gesicht, die recht verschämt tat und in einer
Ecke blieb. Die alte Vettel nahm mich bei der Hand, führte mich zu
ihr und sagte : »Das ist das Hemd, das ich Euch verkaufen will,
aber ich will, daß Ihr es erst probiert, und dann werdet Ihr es
bezahlen«. Ein bißchen schüchtern wie ich bin, war ich
ganz verblüfft. Die Alte aber verließ den Raum, und machte
die Tür zu. Weil ich mit der anderen im Dunkeln blieb, stieß
ich ihr ihn rein. Und obwohl sie ganz welke Schenkel, eine feuchte Möse
hatte und ein bißchen aus dem Mund roch, war ich so verzweifelt
geil, daß ich sie einfach vögeln mußte. Wie ich fertig
war, wollte ich mir diese Ware doch ein bißchen anschauen, nahm
einen Span vom brennenden Herd und zündete damit eine Laterne an
der Decke an. Holla ! Beinahe wäre ich tot umgefallen, so häßlich
war dieses Weib. Sie hatte zwar einige halb graue, halb schwarze Haare,
aber der Hinterkopf war ganz kahl und über diese Kahlheit sah man
die Läuse marschieren. Die wenigen Haare, die sie hatte, fielen ihr
über die Stirn bis auf die Augenbrauen. Mitten auf dem kleinen runzeligen
Kopf hatte sie ein Feuerzeichen, wie man es den Tieren an der Säule
auf dem Mercato Vecchio aufdrückt. Auf jedem Büschel der Augenbrauen
klebten Läuseeier. Von den Augen schaute eins nach oben, eins nach
unten, und eins war größer als das andere, beide aber waren
voller eitriger Tränenflüssigkeit und ganz ohne Wimpern. Die
Nase war ganz nach oben gestülpt, ein Nasenflügel aufgeschnitten
und voller Rotz. Der Mund erinnerte an den von Lorenzo dem Prächtigen,
aber auf einer Seite auch noch schief, und da lief der Speichel heraus,
weil sie ihn, zahnlos wie sie war, nicht zurückhalten konnte. Auf
der Oberlippe hatte sie einen langen, aber dünnen Bart. Das Kinn
lief spitz zu und war leicht nach oben gebogen, wovon noch ein kleiner
Hautzipfel bis zum Halsansatz herunterhing. Wie ich dieses Monster völlig
verwirrt anstarrte, bemerkte sie es und wollte sagen »Was habt Ihr
mein Herr ?«, aber sie sagte es nicht, weil sie stotterte. Und in
dem Moment, als sie den Mund aufmachte, kam ein fürchterlicher Gestank
heraus. Meine beiden Eingänge zu den allerempfindlichsten Sinnen,
Nase und Augen, waren dadurch so getroffen und mein Magen reagierte so
empfindlich, daß er diese Beleidigung nicht mehr ertragen konnte,
es kam mir alles hoch und ich erbrach mich auf sie. Und mit dieser Bezahlung,
die sie wohl verdient hatte, verschwand ich. Ich verwette dafür meinen
Platz im Himmel, daß mir, solange ich in der Lombardei bleibe, die
Lust vergangen ist. Ihr aber sollt Gott dafür danken, daß Ihr
Hoffnung auf weiteres großes Vergnügen haben könnt, und
ich will ihm auch dafür danken, daß ich die Angst verloren
habe, daß mir jemals mehr ein solches Mißvergnügen passieren
kann ...
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