Worte über Weimar I
Wilhelm von Humboldt, 9. 1. 1809. An Caroline ... Habe ich Dir schon erzählt, daß
er die Frau «Du» und sie ihn «Sie»
nennt ? Das, siehst Du, liebes Kind, ist ein Respekt ! Riemer ist noch
breiter, schwammiger und zerflossener geworden, als Du ihn schon kanntest,
und so behaglich und gemächlich, daß er um 8 Uhr immer noch
im Bett liegt. Er ist ganz eigentlich der Famulus des großen Mannes,
redet aber immer in «Wir» und hat auch zu den kleinsten
Dingen, um die man ihn bittet, nie einen Augenblick Zeit. Dabei treibt
er unendlichen gesellschaftlichen (auch Goethe nachgemachten), meist sehr
tändelnden, meist läppischen und ziemlich arg magistermäßigen
Spaß. So macht er jetzt Sonette, die Goethe unendlich protegiert.
Nicht genug, daß Riemer sie mir vorlesen mußte, so nahm auch
Goethe selbst sie oft und las sie noch einmal. Sie sind nicht geradehin
schlecht, meist komisch und satirisch, aber doch oft sehr fade ... *** |