Das Tischrücken durch Betrogene Satans ausgeübt.

 

 

 

 

 

Jean-Jacques Brousson zu Besuch bei
J. K. Huysmans,
                         dem Geläuterten


     Gestern führte mich der Abbé V. von Saint-Sulpice bei Huysmans ein. Ein helles und einfaches Zimmerchen in der Gegend des Bon Marché. Durch die Fenster sieht man auf die Klostergärten eines Waisenhauses. Alles ist einförmig, die Gänge, die Platanen, die Pensionäre. Eine Aufwartung, wohl Laienschwester, geht und kommt still und heimlich ins Vorzimmer. An den Mauern weiße Holzbretter voll von broschierten, alten Büchern ... Ich unterscheide die Sammlung der Acta Sanctorum. Nachdem ich eine Viertelstunde gewartet, öffnet sich die Tür. Ein Mann kommt vor dem Abbé heraus. Er ist groß und kräftig wie ein Ringer, aber wie ein klappriger, erschöpfter, besiegter. Man sieht den müden, gesenkten Kopf kaum in den Falten eines Schals. Mit schrumpfigen Händen hält er den abgetragenen, schmutzigbraunen Schlafrock fest, wie es alte Frauen zu tun pflegen. Seine Pantoffeln schlürfen weich und stockend über das Parkett. Er umarmt den Abbé. Wir kommen in das zweite Zimmer, wie es scheint, das Eßzimmer. An den Mauern primitive Lichtbilder : Kreuzabnahmen, Kreuzigungen, Christi Verhöhnung ... Die Sonne hat die schlechten Bilder gebleicht. Auf dem Kamin zwischen zwei Vasen, die mit Rosen von Jericho geschmückt sind, die wie zwei Disteln aussehen, eine armselige Monstranz im Stil Louis XVI. Die Strahlen der eucharistischen Sonne haben ihre Vergoldung verloren, so daß sich das Kupfer darunter verrät. In der Hostienbüchse, an Stelle der Hostie, unter einem trüben Edelstein eine armselige Reliquie. Auf dem Kamin, der in einen Altar umgewandelt ist, ein großes Kruzifix aus Gips an schwarzem Holz mit einem Büschel von Buchsbaum, wie man sie in Sprechzimmern sieht. Man atmet in dem seltsamen Zimmer eine muffige, erbauliche, sauersüße Luft ein wie in Sakristeien und Krankenhäusern. — Man setzt sich an ein dürftiges Feuer, das zwei knackende Scheite erzeugen. — Die Unterhaltung beginnt mit der Gesundheit des Schriftstellers. »[!] Er glaubt nicht mehr an die Ärzte. Er verläßt sich auf die Gnade Gottes. Weiß er nicht besser als sonst jemand, was uns gut tut ? Er leidet, aber vielleicht noch nicht genug. Er hat so viel abzubüßen. Er erzählt von seinen frommen Übungen. Er sagt den Rosenkranz her. Erst scheint ihm dieses Gebet mechanisch, aber nur, weil er damals noch von literarischen Vorurteilen vergiftet war. Er liest mit Gewinn den Manrès des heiligen Ignatz. Er hat seinen Beichtvater gewechselt : der Abbé M ... war zu weltlich, er war nicht streng genug. Von seinem neuen ist er begeistert. Das ist ein ganz bäurischer, ein Mann vom Lande, der seine Schäflein führt wie sein Vater, der Pächter von Beauce war, seine Pferde, seine Hammel und seine Schweine hütete ... Der Abbé stellt mich dem Schriftsteller vor. »Mein Landsmann Jean-Jacques Brousson. Der Sohn des bekannten Arztes unseres Seminars zu Nîmes und fast aller religiösen Orden am Gard. Der Doktor Brousson ist Ritter des Ordens von St. Gregor ...«
     Da scheint der Verfasser von »En route« zu bemerken, daß ich da bin. Er fragt mich : »Sie wollen sich als Schriftsteller betätigen ? Armer Kleiner ! Tun Sie lieber etwas für Ihr Heil ... Sie sind Sekretär von Anatole France geworden. Um so schlimmer für Sie. Der ist ein großer Schriftsteller, aber ihm fehlt doch das einzig Nötige : der Glaube ... Und war doch fromm erzogen, wie ich höre, hatte fromme Eltern. Aber die Eitelkeit, der Beifallshunger, die Neigung zum Paradoxen ... Kurz, es steht sehr schlecht mit ihm, Ich möchte um allen seinen Ruhm nicht mit ihm tauschen.«
     Eine kleine Pause. Huysmans hustet, spuckt ins Feuer, will die Holzscheite in Ordnung bringen und beginnt wieder : »Ich habe einst mit ihm verkehrt, Ihrem Anatole France. Er war ein netter Geist, wenn auch kein netter Mensch, ich sehe mit Mitleid zu, wie er auf die schiefe Ebene kommt. Ich lasse ihm voll Mitleid im Gedenken an unsere alte Freundschaft folgendes sagen : ›Berühmter Meister, bekommen Sie die Anbetung der Menschen nicht manchmal satt ? Bekommen Sie auf der übermenschlichen Höhe, auf die diese Götzendiener Sie gestellt haben, nicht den Schwindel ? Haben Sie die Gnade Ihrer heiligen Taufe wie die Ihrer ersten Kommunion vergessen ? Teurer Meister, wenn das Dunkel eintritt, fliehen Sie alle die Schmeichler, die Ihnen die Wirklichkeit mit ihrem Weihrauch verdecken. Wie Ihre gute Mutter sollten Sie in eine Kirche eintreten, eine alte und populäre Kirche, Saint Severin zum Beispiel. Tauchen Sie Ihre Finger in das einfache Weihwasserbecken wie die Hausfrauen und die kleinen Kinder des Viertels. Lassen Sie Ihre arme Unsterblichkeit fahren. Machen Sie das alte Zeichen und dann knien Sie im Grunde der Apsis nieder. Da, allein mit Ihrem Gotte, im Halbdunkel der Fenster, fragen Sie sich, ob wir geschaffen und in die Welt gestellt und vom Blute Christi wiedererlöst sind, um Impertinenzen zu schreiben.[‹]«
     Am Tage darauf berichtete ich diese Predigt ganz wörtlich Anatole France. Da sagte der Meister mit trockener Stimme :
     »Dieser arme Huysmans ist ganz herunter. Alle diese Frömmelei ist in seinem Alter ein sehr schlechtes Zeichen. Wenn Sie ihn wiedersehen, sagen Sie ihm, da eine Liebenswürdigkeit die andere wert ist : ›France rät Ihnen, sich den Urin untersuchen zu lassen.‹«

***