Renategeschichten
von Martin Jordan

XXI. Amulette

     Nach diversen Flaschen Viala war es mal wieder so weit gewesen. Ich hatte mit Renate gevögelt, so richtig wie früher. Als wir dann auf der Matratze lagen, die sie jetzt hat, weil ihr Bett erst Anfang kommenden Jahres von Edelholz geliefert wird (voraussichtlich) und noch mehr Viala tranken, fragte ich, was das denn für ein schönes Amulett wär, was sie da um den Hals hätte. »Das ist ein altpiktisches Zauberzeichen« hat Renate gesagt und eine Zigarette angesteckt. »Nein, wie interessant« habe ich echt begeistert gesagt, weil sowas finde ich total spannend, »was zaubert das denn ?« »Och, das ist jetzt gegen Schwangerschaft und AIDS« hat Renate gesagt. Mir ist plötzlich schlecht geworden und ich bin ins Bad gerannt und mußte kotzen. »Was ist mit dir denn los ? Verträgst du keinen Viala mehr ?« hat Renate voll spöttisch gefragt. »Sag mal, wie blöd bist du eigentlich ?« habe ich leider ziemlich unbeherrscht geschrien. »Glaubst du im ernst, daß so ein Mumpitz irgendwas ausrichtet ? Sollen sich meine Spermien totlachen oder was ?« »Ihr Männer seid doch Affen und genauso unspirituell. Natürlich hilft das Amulett. Wenn ich nicht sicher wäre, daß es hilft, wäre ich nicht mit dir Kasper ins Bett gegangen. Von so einem blöden Choleriker schwanger zu werden, wäre eine echte Strafe !« Da habe ich meine Sachen genommen und bin die Treppe runter, noch mit offenem Hemd. Unten auf der Straße habe ich noch gestanden und überlegt, in welcher Kneipe ich mir den Rest geben soll, da hat Renate oben das Fenster aufgemacht und ein Amulett runtergeworfen. »Hier, das ist gut gegen Dummheit !« hat sie gerufen und schrill gelacht. Auf der Straße haben sich die Leute rumgedreht und auch gelacht. Das war mir dann doch peinlich.

XXII. Das Froschrätsel

     Auf dem Konzert des ukrainischen Liedermachers Fedor Fedajew habe ich Renate wiedergetroffen. Fast war ich erschrocken, denn sie sah richtig alt und erschöpft aus. Dann habe ich mich aber doch getraut, sie anzusprechen. »Oh hallo« sagte sie nur. Dann redete sie weiter auf einen Mann ein, der so aussah wie ein ukrainischer Bürgerrechtler. Später im Café Azur sah ich die beiden dann wieder. »Das ist Sergej. Er ist Bürgerrechtler aus der Ukraine. Wir betreuen strahlenkranke Kinder in Minsk« »Du warst in Minsk ?« habe ich interessiert gefragt. »Ne, Quatsch« hat Renate gesagt, »da ist doch noch alles verstrahlt. Ich habe ein Buch über Kinder im Krebskrankenhaus in Minsk geschrieben. Fünfzig Pfennig pro Buch gehen dann an ein Projekt da drüben« »Was denn für eins ?« Das habe ich nämlich echt toll gefunden. »Wir schicken Keramikfrösche da hin und lassen die von den Kindern bemalen. Die Farben spenden wir natürlich auch. Und die Frösche werden dann hier auf dem Frauenbasar verkauft« Sergej, der Bürgerrechtler, hat nichts verstanden und immer nur Da, da gesagt und gelächelt und Marlboro geraucht. »Die Geschichte mit den Fröschen verstehe ich noch nicht so ganz« habe ich gesagt. »Also ihr verkauft die auf dem Frauenbasar und dann ?« »Wieso, was soll dann sein ?« hat Renate gefragt und mich angesehen, als ob ich geistig zurückgeblieben wär. »Ja, aber da ist doch ein Denkfehler drin. Wer bekommt das Geld für die Frösche ?« »War schön, dich mal wiederzusehen. Aber ich kann Sergej nicht weiter vernachlässigen. Also besser, du gehst« »Da« hat Sergej gesagt und mich angelächelt.

XXIII. Renate geht an Bord

     Renate hatte ja mit dem Raimund zusammen zwölf Jahre lang an dem Katamaran gebaut, und der war ja fast fertig gewesen, als der Raimund mit der Anette und den Kindern in seine Quinta an der Algarve gezogen ist. Der Katamaran ist zwanzig Meter lang gewesen und hat meherere Schlafzimmer, ein Bad und eine Küche gehabt. Renate hat aber nicht Küche dazu gesagt, sondern Pantry. Als der Katamaran fertig gewesen ist, hat Renate gesagt, so, jetzt fahre ich in die Karibik. Zu der Zeit ist sie gerade irgendwie mit dem Ortwin zusammengewesen und da ist der einfach mitgefahren, weil, der war sowieso gerade arbeitslos und Renates Vater, der einen Handel mit Landmaschinen gehabt hatte, war gerade gestorben und hatte Renate so ungefähr fünf Millionen Mark hinterlassen. Renate hat aber gesagt, da bleibt ja fast nichts über, wenn die Steuer da erstmal von abgeht, wir sollen uns also bloß nicht einbilden, daß sie jetzt reich ist oder so und wir sie anpumpen können. Jedenfalls hat sie gleich ihren Job gekündigt und ist mit dem Ortwin losgefahren. Zuerst den Raimund und Lena und Basti an der Algarve besuchen für ein paar Wochen und dann los in die Karibik.
     Was ich jetzt erzähle, habe ich alles nur von Benedict St. George, das ist ein schwuler Rastamann, der einige Zeit hier in der Stadt gelebt und sich als Trommel- und Tanzlehrer im Aukultzent über Wasser gehalten hat und der jetzt wieder in der Karibik lebt. Der ist noch mit Renate in Kontakt. Benedict hat den Dieter angerufen und der hat mir das erzählt.
     Renate und Ortwin liegen seit einem halben Jahr bei einem kleinen karibischen Ort vor Anker. Renate wäscht sich nicht mehr, sondern, wenn sie anfängt zu stinken, hängt sie ihre Klamotten an die frische Luft und da werden die dann von der Luft gewaschen. Ab und zu springt sie ins Meer. Ortwin fährt alle paar Tage mit dem Beiboot an Land und von da aus mit Raimunds altem Klapprad von der Anlegestelle bis zum nächsten Ort und bettelt da die Bauern an und bekommt dann meistens einige Gemüsereste. Notfalls kauft er auch mal was, aber dann scheißt ihn Renate voll zusammen. Da beim Anleger fährt zwar auch ein Bus, aber der kostet umgerechnet dreißig Pfennig und Renate meint, die kann man doch auch sparen. Wenn Ortwin mault, nimmt ihn Renate in den Schwitzkasten und wirft ihn lachend über Bord. Dann lachen beide und alles ist wieder gut.
     Aus den welken Gemüseresten macht Renate Eintopf. Sie und Ortwin haben sich sehr lieb.
Trotzdem, sagt Benedict, ist Ortwin jetzt merkwürdigerweise verschwunden und ich habe gerade gehört, daß er bei den Zirkuswagenleuten von Ragnar in der Lüneburger Heide aufgetaucht sein soll, braungebrannt, bierernst und einsilbig. Dabei war er doch früher so ein fröhlicher, unkomplizierter Mensch gewesen.
     Ich glaube, daß Renate auch bald zurückkommt.

XXIV. Wendo

     Wie die Renate aus der Karibik zurückgekommen ist und mir die dreitausend Mark, die ich ihr geliehen hatte, zurückgezahlt hatte, sind wir noch bei mir zusammengesessen.
     »Alle Frauen sind ja irgendwie mutige Hexen« hat die Renate gesagt, einen Schluck Viala genommen und mich angesehen. »Ja, das habe ich auch schon gemerkt« habe ich gesagt. »Ha ha ha, sehr komisch, hat Renate gesagt, »du mußt natürlich alles wieder gleich ins Lächerliche ziehen, weil deine männliche Urangst vor starken Frauen dich fertigmacht« Ich habe an den Ortwin gedacht und gesagt : »Starke Frauen nerven mich auch genauso ab wie Männer, die den Breiten machen«
     »Das ist doch ganz was anderes !« hat Renate geschrien, wohl weil sie schon ziemlich betrunken war. Sie hat plötzlich angefangen, Wendo-Kampftechniken zu machen und ich bin in Bedrängnis geraten.
     »Wendo ist eine Kampftechnik« sagt Heike, die ja auch lesbisch ist, »die eine lesbische, weise koreanische Nonne speziell für Frauen entwickelt hat«
     Die Philosophie von Wendo ist, kurzgefaßt, den männlichen Gegner durch schnelle Bewegungen und schrilles, lautes Kreischen zu verwirren, um ihn dann durch kraftvolle Tritte in die Hoden fertigzumachen.
     »Nana, Renate« habe ich gesagt, womit ich schlecht ankam. »Das sind Kettenfauststöße« hat Renate atemlos zwischen den einzelnen Kreischern gesagt, »ich mach dich fertig, du Schwein, du willst nicht glauben, daß ich eine Hexe bin und meine Schwestern auch und außerdem bin ich als Mädchen mißbraucht worden«
     Mir ist das irgendwie zu weit gegangen, weil, ich wollte ja eigentlich nur ein paar Schluck Viala trinken und nicht ein paar auf die Fresse bekommen und Gekreische anhören. Ich meine, ich schreibe gern Renategschichten, aber was zuviel ist, ist zuviel.
     »Ja komm nur her« hat Renate gesagt und Kettenfauststöße gemacht und dazu immer wieder gekreischt. »Na warte, du Chauvi-Pisser«
     Ich bin dann weggegangen und habe bei der Heike übernachtet. Wie ich dann mittags zurückgekommen bin, ist Renate weggewesen und es hat ein Zettel auf dem Tisch gelegen : Hat gutgetan. Nichts für ungut. Renate.

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