Es war nämlich
so, daß Bille lange Zeit fort gewesen war, aber an diesem Dienstag
sollte sie wiederkommen und ich freute mich so sehr, wie man sich überhaupt
nur auf Bille freuen kann. Der wilde Wassermann hatte sie gefreit und
es war also kein Wunder, daß sie so vollständig verschwunden
gewesen war.
Aber an diesem Dienstag wollte ich Bille
mindestens ALLES erzählen, was ich mir in der Zwischenzeit ausgedacht
hatte und schließlich war das eine ganze Menge und sehr wichtig.
Ich hatte auch ein paar Lieder geschrieben, die Bille vertonen sollte
und mir überlegt, was wir alles ganz neu und groß anfangen
würden. Fürs erste hatte ich mir das so gedacht, daß wir
sehr viel singen und dichten und alles mögliche aushecken würden
und dabei auch einiges auf uns und die Kuh trinken und alles weitere würde
sich schon finden.
Ja, so dachte ich mir das.
Das Telefon mußte ich eine ganze Weile
suchen, denn Simon Petrus hatte es im Strickkorb versteckt. Bille,
sagte das Telefon und klang schon völlig verlogen.
Ich antwortete trotzdem. He, du bist
zurück ! Das ist erhebend und sensationell ! — Ich bins.
Jaja, sagte das verlogene Telefon
und lachte gekünstelt.
Wie wars ? sagte ich, obwohl ich
genau wußte, daß es einen dümmeren Satz überhaupt
nie gegeben hat.
Was ? — Oh, ja, schön. Echt,
war wirklich schön.
Ja, das dacht ich mir, schön,
sagte ich und diesmal war ICH es, die so unglaublich verlogen klang.
Als ich zuletzt hingesehen hatte, sah es
apselut so aus, als schliefe Simon Petrus, und überhaupt hört
er ja beinahe niemals zu, aber jetzt merkte ich, daß er eben die
Telefonschnur aus der Wand gezogen hatte. Ich stöpselte die Schnur
wieder ein und starrte Simon Petrus böse an. Und beschloß,
heute keine Dose aufzumachen. Er starrte zurück und wußte genau,
daß ich es ja doch tun würde. Ich wußte das übrigens
auch.
Es klingelte zuckersüß und ich
versuchte Bille zu erklären, was ich mir gedacht hatte.
Ziele ? ... fragte sie mit sehr
langem i und klang so leer, wie überhaupt nur Bille klingen kann.
Und dann : also diese Woche gehts nicht ...
Ich wünschte bloß, Simon Petrus
würde uns noch einmal ausstöpseln, aber das tat er nicht.
Und dann
legten wir endlich auf und ich sah böse aus dem Fenster und fand
alles abscheulich und ganz besonders mich selbst. Simon Petrus lag auf
dem Bett und schnurrte und starrte mich mit halbgeschlossenen Augen an.
Eine ganze Weile tat
ich gar nichts.
Und
dann noch eine ganze Weile nichts und ich dachte auch nichts und tat mir
noch nicht einmal richtig leid. Aber dann nahm ich den Rucksack und steckte
ein paar Noten hinein und zog mir mindestens fünf Pullover an und
an der Haustür war Simon Petrus plötzlich neben mir und sagte
Ich will mit.
Na, das ist ja
erhebend und sensationell, murmelte ich, aber
ich ließ ihn doch zu den Noten und natürlich fing er gleich
eine Schlägerei mit Czerny an.
Draußen
war beinahe Winter, es schneite nämlich nasse Flocken und tropfte
von der Dachrinne und noch bevor ich aus der Stadt und im Wald war, fror
meine Nase vollständig ein. Ganz und gar nichts denken, das kann
man eigentlich nur mit kalter Nase, und ich dachte auch nichts und hörte
bloß Simon Petrus im Fahrradkorb singen.
Im
Wald schaltete ich das Licht aus, daß ich besser sehen könnte,
und da merkte ich plötzlich, daß ich eigentlich zufrieden war
und daß ich ja nachhause fuhr, denn mein Zuhause liegt im Wald.
In
meinem Zuhause ist es immer kalt, obwohl es ein Feuer und ein Klavier
gibt, und das Klavier ist immer verstimmt, am schlimmsten ist das tiefe
g. Wenn Bille dieses Klavier hört, kichert sie so sehr, wie überhaupt
nur Bille kichern kann.
Es war niemand
dort in meinem Zuhause, aber das Feuer brannte und da wußte ich,
daß meine kluge Mutter und meine schlaue Schwester unterwegs in
der Welt waren, und auch mein launischer Bruder war fort. Aber mein Vater,
der war im Keller und das wußte ich auch. Mein Vater hat einen großen
Bart und tiefe Augen und ich glaube, er ist eigentlich im Keller zuhause,
da wohnt er mit der Kunst.
Ich spielte ein paar Tonleitern, damit er
wüßte, daß ich da war und für Simon Petrus machte
ich eine Dose auf, wobei wir ziemlich albern waren und dann nahm ich eine
Axt und spaltete das Brot, das meine Mutter gebacken hatte und es schmeckte
wunderbar. Ich friere wie ein Neger, sagte ich zu Simon Petrus,
aber der war schon wieder verschwunden. Ich wickelte mich in einige tausend
Decken und ließ meine Haare vom Feuer trocknen, und dabei probierte
ich schon mal aus der offenen Flasche und drehte für meinen Vater
eine kurze dicke Zigarette und der polterte schon auf der Treppe. Auf
dieser Treppe poltert sogar Simon Petrus.
Mein Vater sieht nicht aus wie der liebe
Gott, er sieht eigentlich nur wie er selbst aus. Oder vielleicht wie eine
Mischung aus Sankt Martin und dem Hausmeister.
Ho-ho, ja-ja, hm-hm ! sagte er
und das bedeutet so ungefähr, daß er sich freute, daß
ich da war. Und über die Zigarette.
Du, sagte ich, was ist eigentlich
Dadaismus ? und das Feuer knackte und sang, denn das Feuer hat meinen
Vater gern und es hört ihm gern zu.
Hm-hm, sagte
er und sah das Feuer an, ja ... Dada, das ist eine spannende Sache
... und das Feuer knackte und sang und die Flasche wurde sehr leer
und ich vergaß Bille und das Telefon und alles, was ich ausgeheckt
hatte, denn es stimmte : es war spannend, obwohl ich das meiste nicht
verstand. Es klang wie häßlich und schön zugleich ...
Meine
kluge Mutter kam auch nachhause und freute sich, daß wir da waren
und sie schickte uns ins Bett, denn das tut sie ja immer.
Ich
lag noch da und dachte nichts und hörte den Wald und den nassen Wind.
Und mitten in der Nacht wurde ich wach, weil Simon Petrus mir auf der
Brust saß und meinen Hals knetete. Du, sagte ich, was
ist eigentlich Dadaismus ? und Simon Petrus schnurrte und knetete
und tretete und im warmen, wiegenden Rhythmus sang er ein Dada-Gedicht.
Die seufzende Schöpfung
in der Trübsal.
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