Tante G.
Ubi caritas et amor
Es war der
erste Februar, also schon fast Frühling, und Bille und ich wollten
einen Ausflug in die Eifel machen, eine Spritztour mit eingebautem Picknick
und Simon Petrus kam auch mit.
In Godesberg sangen schon die Amseln, die
Sonne schien, und ich versuchte das Schiebedach aufzumachen, aber der
Peugeot war klüger und klemmte. Bille saß neben mir und las
die Karte und Simon Petrus lag auf dem Rücksitz und war beleidigt,
weil er nicht fahren durfte.
Es war alles genau wie es sein sollte.
Wir fuhren erst am Rhein und dann an der
Ahr entlang, und in Kreuzberg hielten wir an und kauften Ahrwein für
das eingebaute Picknick. Und dann fuhren wir weiter die Ahr hoch und plötzlich
sagte Bille Hätten wir nicht gleich mal Wasser nachfüllen
sollen?
Nö sagte ich und grinste,
ist nicht nötig.
Ja wie sagte Bille, soll uns
der Kühler jetzt endgültig um die Ohren fliegen oder was.
Liebe Bille sagte ich, dies
ist ein Peugeot 405 mit einem nagelneuen Kühler vom Schrottplatz
und deswegen sind wir ja mit den ganzen Deppen hier unterwegs zum Nürburgring.
Ich hörte schon wie Bille zu grinsen
anfing, aber sie sagte mit ganz strenger Stimme Darf man fragen, wer
in seiner grenzenlosen Sanftmut dir den Kühler eingebaut hat ?
Na, Franz Spielmann, wer sonst,
kicherte ich, und Bille sagte erst gar nichts und schnappte nur nach Luft
und dann fing sie an Lieben Tante G., du bist mir ja ne schöne
Emanze aber ich sagte Leev Billsche, ubi caritas et amor, erstens;
zweitens steht dir dieses Fräulein-Rottenmeier-Gesicht nicht und
drittens prostitute’s work, sure that’s hard, hat
schließlich schon Winston Churchill gesagt.
Und da kicherte Bille endlich auch und behauptete,
wir müßten doch noch eine Flasche mehr kaufen und besonders
auf Winston Churchill anstoßen. Aber jetzt waren wir schon in der
richtigen Eifel, wo man keinen Wein mehr kaufen kann, und ich mußte
todesmutig einen Rübentransporter überholen.
Man weiß eigentlich nicht wo die Eifel
anfängt, denn zwischen der Mosel, dem Rhein, Belgien und der A4 wohnen
jede Menge Menschen, die keine Eifler sind oder keine Eifler sein wollen.
Die Dörfer, in denen noch Winzerfeste
gefeiert werden, sind jedenfalls keine Eifeldörfer, und wenn man
dann weiter die Ahr und den Adenauer Bach hoch fährt, hören
die Winzerfeste langsam auf und die Eifel fängt an. Und man kann
dann in der Stadt Adenau ins Schwimmmbad der Stadt Adenau gehen, und dann
sieht man an der Wand ein großes, gekacheltes Schild, auf dem steht
: Den Kindern für ins Wasser zu gehen Badehosen anziehen.
Und dann weiß man, daß man wirklich in der Eifel ist.
Wir wollten aber nicht ins Schwimmbad der
Stadt Adenau und auch nicht auf die Hohe Acht zum Schlittenfahren. Simon
Petrus wollte auf den Nürburgring, und das wollten auch noch andere,
denn am ersten Februar bei schönem Wetter ist die Ahrstrecke voll
von Wahnsinnigen in schwarzem Leder. Nix da sagte Bille zu Simon
Petrus, wir fahren zum Totenmaar und picknicken, und wenn Du nicht
mitmachen willst, kannst Du dir inzwischen den Unterschied zwischen Menschen
und Fledermäusen überlegen.
Am Totenmaar lag noch genügend Schnee,
dass Simon Petrus auf einer Aldi-Tüte Schlitten fahren konnte, und
zum picknicken war es viel zu kalt. Und im übrigen hatte Simon Petrus
den größten Teil des Essens so gut versteckt, daß wir
ihn sowieso nicht finden konnten. Das ist nämlich der Nachteil an
einem Peugeot 405.
Also fuhren wir nach Hünerbach und
in die Kneipe Zum glücklichen Huhn und Bille sagte zur Hühnerwirtin
Wir haben hier einen unglücklichen Kater, der dringend ein falscher
Hase werden möchte, aber die Hühnerwirtin konnte nichts
antworten, weil Simon Petrus schon die Musicbox entdeckt hatte und in
ohrenbetäubender Lautstärke die Marseillaise spielte. Sie hätte
wohl auch keine Antwort gewußt. Aber Erbsensuppe kriegten wir, die
beste in den ganzen weiten Rheinlanden, und Ahrwein gab es auch, und es
war alles genau wie es sein sollte. Die Hühnerwirtin sagte uns daß
sie Hühnerhagen hieß, und Bille zwinkerte mir zu und das sollte
bedeuten paß auf, jetzt kommt ein Trick, der in jedem Eifeldorf
klappt und sagte Nein, sind Sie am Ende mit Herrn Pastor Hühnerhagen
verwandt? Und da lächelte die Hühnerfrau zum ersten Mal
und erklärte etwa eine halbe Stunde lang, wie sie mit dem Pastor
verschwägert war und am Ende hatten wir sie so weit, daß sie
den Sakristeischlüssel nahm, der hinter der Theke hing, und uns die
Kirche aufschloß. Sie zierte sich eine Weile wegen Simon Petrus
und dachte wohl, er würde das Ewige Licht mopsen, aber dann ließ
sie ihn doch mit hinein und wir sangen dreistimmig Ubi caritas et
amor deus ibi est und wir sangen lange, obwohl es bitter kalt war
in der Kirche und wir hörten erst auf, als Simon Petrus vom Weihrauch
schwindlig wurde.
Als wir aus der Kirche kamen, war gerade
die Sonne untergegangen und über den Bergen leuchtete der Himmel
blaßrot und irgendwo schrie das erste Käuzchen. Bille lief
ein Schauer über den Rücken, aber wir standen doch still da.
Es tönen rings die Wälder und Hügel nach. / Doch fern
ist er zu frommen Völkern, / die ihn noch ehren, hinweggegangen.
Und zurück durfte Simon Petrus fahren.
In Godesberg waren keine Sterne zu sehen,
und der Nebel, der vom Rhein aufstieg, war nicht kalt. Ich klopfte dem
Peugeot auf die Schulter und sagte Wacker, wacker. Und Bille
sah mich an und lachte und sagte Weißt du, nur Wahnsinnige fahren
ja am ersten Februar in die Hocheifel.
Ja, sagte ich, ein kalter Frühling
und ein rauhes Land, in dem die Leute Hühnerhagen heißen. Und
doch zum Sterben schön.
Ja, sagte Bille und Simon Petrus
turnte im Kirschbaum, der schon kleine grüne Knospen hatte und sang
Ubi caritas.
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