Koslowski und
von Wieder :
zwei Könige des königlichen Spiels
Prof. Giambatista Raffaello Giotto
Weniger
bekannt ist, daß sich die Angehörigen der Iprumper Commune
neben den schon legendären Schafsknöchelpartien erbitterte und
hochklassige Schachschlachten lieferten. Dies sind zwei davon, die von
dem Amerikaner Robert James Fischer, einem flüchtigen Bekannten und
Schachschüler Koslowskis, mitgeschrieben wurden. Hier erstmals und
exklusiv :
1. Der Hammer des Philosophen
Weiß : Waldemar Koslowski
Schwarz : Attila von Wieder
Auch der
Internationale Stalin-Preis für die Festigung des Friedens
unter den Völkern ist ein Preis, den Koslowski nie bekam.
Ein Unrecht, das unsühnbar zum Himmel schreit und stinkt —
als Koslowski noch lebte, da hätte man ihn fördern, anerkennen
und bepreisen sollen, Tote fressen keine Brote1,
wie Koslowski in seiner Hymne auf den Tod von Anne Frank
sang. Stalin war noch keine dreieinhalb Jahre unter der Erde2
und Koslowski langsam3
wieder zu Kräften gekommen, da passierte die Sache mit Brecht. Brecht,
Stalinpreisträger 19554,
hatte zwei Wochen zuvor seinen Todeskampf in der Charité gefochten
und verloren. Als die Agenten Reuters und dpa´s Koslowski Meldung
machten vom Hinscheiden des Großen Mannes (Koslowski über
Brecht), legte der Weise von Iprump (Attila von Wieder maliziös
lächelnd über Koslowski) seine Gänsekielfeder zur Seite,
bekam anstatt ihrer eine Gänsehaut, wohl, weil er die Sätze
schon ahnte, die er sagen wollte, und sagte die großen schlichten
Sätze, er könne nicht mehr und die Liebsten stürben ihm
weg und das einfach so.
Nichts machte mehr Spaß. Koslowski
schien gebrochen. Visionen plagten ihn, in denen endlos graue Fertigbauwände
vorkamen, anonyme Mächte und verhangene stählerne Veluxfenster,
er klagte über Atemnot, die Eintönigkeit seiner Delirien und
daß er seiner Schöpferkraft beraubt sei5.
Schier erdrückt vom unverstehbaren Unrecht der Sterblichkeit blies
er Trübsal und durch einen Strohhalm stundenlang noch, nachdem das
letzte Sprudeln6
entwichen war, in seiner Afri-Cola herum. Zeitweilig
bosselte er am melancholisch timbrierten Zyklus Kinderverse von
Erwachsenen und bekannte sich energisch zur Simplizität
der komplexen Erscheinungs- und Ausdruckswelt des Daseinsgesamts
(Koslowski über die Wirklichkeit)7.
Koslowski kam die Aufgabe, die ihm oblag, vor, als sei sie zu riesig,
er, letztendlich auch nur Mensch und Inhaber menschlicher Bedürfnisse,
fand sich verwaist, verdammt und verworfen zu intellektueller Einsamkeit
an allen Fronten des Geistes. Koslowski neigte resignierend sein Haupt,
er wolle heimgehen zu den Pilzen, wie er einmal sagte, noch in
der Trauer leichterhand Göte überbietend. Er vernachlässigte
seinen Kragen, führte sich unzureichend Mineralien zu, daß
die Monde auf seinen Fingernägeln aufwimmelten, wechselte seinen
Schießerslip mit Feinripp und Eingriff nur noch vollmonds, erlitt
einen Dermatophytenbefall am Fuß und handelte das einzige Mal in
seinem Leben einem rätedemokratischen Beschluß der iprumper
Commune zuwider8
: Koslowski goß die ihm anvertraute Pilzplantage, von deren Ertrag
sich die Commune großenteils finanzierte9,
nur noch unregelmäßig. Stattdessen sah man ihn nachts alte
delmenhorster Friedhofsmauern entlangschleichen und seine Linke mooskühle
Steine liebevoll streicheln. Was allerdings niemand sah, war, wie Koslowski
das Fläschchen mit Barium-Isotopen10,
das in seiner Parkatasche schwappte, beinah zu allem entschlossen mit
den klammen Fingern der rechten Hand umfaßte.
Die
Vollversammlung der Commune war nicht nur verärgert über Koslowski,
sie machte sich auch Sorgen. In einem hinter seinem Rücken einberufenen
Geheimplenum beschloß sie, einen Emissär zu entsenden. Wenn
wir einen Freiwilligen suchen : ich machs spritzte von Wieder vor
und wurde akklamativ bestätigt. Jene Nacht führte Koslowskis
Weg Koslowski nach Bungerhof, wo Friedrich Lange die letzte Ruhe gefunden
hatte. Den Nacken tief gebeugt, die Hutkrempe tief über die Hornbrille
gezogen, beide Hände tief in den Parkataschen und hühnergottkickend
— hielt ihn wohl nur noch die morsche Friedhofsumzäunung von
allerverzweifeltsten Taten ab. Von Wieder, der am Friedhofsportal gekauert
hatte, trat drahtig hervor und fand die entscheidend aufmunternden Worte,
er war es, der das Ruder rumriß, der Koslowski beiseite nahm, ihn
durch die dürstenden Pilzwiesen führte, ihm ernst in die verzagenden
Mundwinkel blickte und ihn eindringlich anflüsterte : Junge,
hast Du das gewollt ? Vergiß nicht, der Tod ist eine Erfindung von
Zivilisten. Und nun reiß Dich am Riemen. Wer, wenn nicht du ? Du
mußt stets und ständig immer und überall sehen, was Du
für Idee und Bewegung tun kannst, ob Du Kartoffeln jätest, der
ollen Weigel fluchst oder im Quebecschen abhängst. Also sprach
Koslowski einen Fluch über Helene Weigel11,
die ihren Gatten im Regen auf Arbeit ins Theater geschickt hatte, so daß
Brecht sich die todbringende Lungenentzündung zuzog, an der er starb.
Was passiert war, war passiert, so und nur so, jede andere Sicht der Dinge
sei sinnlos, dachte Koslowski und zog kurzentschlossen die jährliche
Sause mit seinen alten Kumpels in Übersee vier Wochen vor und hing
trauerarbeitend in Montreals Kneipen ab. Ein überflüssiges Schicksal
verfügte niederträchtig, daß dort ein schlampig gekleideter12
Barkeeper es war, der ihm brühwarm erzählte, Reinhold Schneider
habe den Friedenspreis des deutschen Buchhandels, ein
Preis, den Koslowski gleichfalls nie erhalten sollte, obwohl er unter
Eingeweihten immer ein heißer Anwärter darauf gewesen war,
verliehen bekommen13.
Koslowski mochte Schneider nicht besonders14,
und so trank er aus Kummer über die Imbezillität der Juroren
Abend für Abend einen über den Durst. Aber Koslowski wußte
das Schicksal zu wenden. Er gedachte des camusschen Satzes, daß
es kein Schicksal gebe, das durch Verachtung nicht überwunden werden
könne15.
Also verachtete er das Schicksal kräftig, sprach dem Alkohol zu und
machte sich beim Steel-Dart gemein mit einem 13jährigen Buben. Koslowski,
auch später von den ansonsten notorisch grantelnden iprumper Dorfältesten
ehrfürchtig Freund der heranwachsenden Jugend genannt, ließ
sich von seiner neuen Bekanntschaft Brause und Whiskey spendieren und
verlor dafür willig beim Würfeln. Der Knabe, in Montreal auf
Besuch bei seiner Tante, zeigte vielfältige Talente. Gesprächsweise
machte Koslowski aus, daß der junge Mann nicht allein gern Segelohren
trug, sondern mindestens genauso gern Schachfreund wäre. Als Koslowski
dann einen Hot-Dog spendiert bekam, vergalt ers a tempo, indem er den
Adoleszenten in den Grundzügen der Schachstrategie unterwies. Zwar
hatte Koslowski 1927, nachdem er erfolglos versucht hatte, Steilwandmotorradfahrerinnen
als Entsatz für seine verstorbene zweite Gattin Effi Brauss (Leder-
oder auch Öl-Effi) auszubilden, geschworen, seine pädagogische
Ader ein für alle Mal zu unterdrücken, aber er entwickelte spontan
die Idee der flexible response, die dann in einem unglaublichen
Akt von Diebstahl Nato-Doktrin werden sollte. Nach zwei Nächten befand
Koslowski : Kind, ich schicke dich gleich zu den zufällig gerade
vor Ort stattfindenden offenen kanadischen Meisterschaften. Mit einem
Zähler Rückstand auf den Erstplazierten erreichte Robert James
Fischer den geteilten achten bis zwölften Rang unter 88 Teilnehmern
und schwor seinem Mentor unverbrüchliche Dankbarkeit.
Nochmal dreieinhalb Jahre später war
es soweit. Lateinamerika war reif geworden für die Revolution und
den Friedenspreis des deutschen Buchhandels hatten mittlerweile
erhalten Jaspers und Heuss. Koslowski waren zwischenzeitlich Nolde, Döblin,
Benn, Sibelius etc. gestorben, da erreichte ihn ein Telegramm von Bobby,
der inzwischen viele Punkte gesammelt hatte : »Meister, darf ich
Euch Mar del Plata erwarten ? Zwei Tickets folgen« Fischers erste
Begegnung mit dem sowjetischen Kronprinzen Spasskij stand bevor und Bobby
wollte Koslowski um sich haben. Großmütig willfuhr Koslowski
und reiste an in Begleitung Attila von Wieders.
Mar del
Plata am argentinischen Atlantik, dreimal Bremen-Hamburg südlich
Buenos Aires gelegen : 1960, Mitte März, Kokosschnäpse, Limbotänzer,
Anemonen und Liegestühle und zwei Ehrenleute mit Sombreros auf Arbeitsurlaub,
die zwar die Gründung befreundeter Tupamaro-Zellen vorhatten, aber
nicht, sich etwas zu schenken. Spielen wir eine Partie sagte
von Wieder. Gehn wirs an, bestätigte Koslowski, und zu Bobby
gewandt : Du darfst kiebitzen. Und hol mir ein halbes Kilo Havannas.
1. e4 e5 Ein Klassiker bahnt sich an in der Pampa-Hotelbar,
schon jetzt. 2. f4 Koslowskis antiplatonisches Bekenntnis.
Schach ist ein Gesinnungsspiel, quasi ein Prüfstein des Gehirns
— eines seiner liebsten selbstgeprägten Bonmots. Ihm war Königsgambit
stets revolutionär-republikanische Philosophenpflicht gewesen, 2.
... ef, wie patriotische Söldnerpflicht von Wieder unablässig
gebot, es anzunehmen16.
3. Sf3 Schön, wie Koslowski das Einfallsfeld der
schwarzen Dame auf der von von Wieder geschickt aufgerissenen Todesschräge
e1-h5 gedeckt hält. 3. ... d5 Söldnerkonsequenz.
Von Wieder braucht Raum, Linien, Aufmarschgebiete. Mit einem Schlag lugt
auch der Läufer c8 ins Koslowskilager. 4. ed Koslowski
läßt sich nicht lange bitten. Alle Brücken abgebrochen
erfolgt Hieb auf Gegenhieb, offener Hiebabtausch und Zug um Zug. Noch
sind keine zwei Stunden gespielt, und schon stehen die Könige ohne
Visier einander gegenüber. 4. ... Dxd5 Die Dame
auf dem Höhepunkt der Flexibilität. Eben noch schielte sie nach
h5, nun schon nicht mehr. Dafür streift sie potentiell ganz woanders
hin und dezimiert gleichzeitig des Gegners Truppen. Hier liegt mehr vor
als dynamisches Gleichgewicht, hier sind 64 Felder in Flammen, brennt
das ganze Brett, ja, in einigen Varianten würde sogar das Feld a4
wichtig werden. 5. Sc3 Ein bloßer Entwicklungszug
? Mitnichten. Koslowski ascht in die hohle Hand und setzt unter höchstem
Risiko an zur tempogewinnenden Damenhatz. Selbst Koslowski kann nicht
alle Abspiele (wie d3, Le2 oder † durch Zeitüberschreitung)
durchgerechnet haben. Wir erleben ihn hier als Instinktspieler. 5.
... De6+ Da haben wirs. Koslowski in Not. Beinah erzwungen sein
nichtsdestotrotz unbarmherzig brillantes 6. Kf2 Noch
unbarmherziger der alte Haudegen, anhebend zum Gnadenstoß 6.
... Lc5+ Wo ist der Ausweg ? Koslowski vor dem Scheitern ? Da
— für Koslowski, von Wieder wie auch den vielversprechenden
Vertreter des Manhattan Chess Club die überraschende, kaum noch für
möglich gehaltene Riposte 7. d4 Der Anker. Koslowski
muß das seit 8 Zügen geplant haben. 7. ... Lb6
Mit äußerstem Widerstreben gespielt. Es ist nicht von Wieders
Sache, auszuweichen. Vielleicht hätte er etwas anderes probieren
sollen. Nun läßt Koslowski nicht mehr locker und alles alles
rechtfertigt sich. Zurecht schmäht er, den Gambitbauern mit Lxf4
zurückzugewinnen. Er hat Höheres im Sinn 8. Lb5+
Wird das gutgehen ? Allüberall Krise, die ausgelassen vor Freude
in die Hände klatscht 8. ... Kf8 und 9.
Te1 Ein letztes Mattmotiv taucht auf 9. ... Dh6.
Eine netter Nierenschlag, aber gut gekontert durch s.
Von Wieder vermerkte an dieser Stelle, ab hier hätte er stärker
fortsetzen sollen und können, aber morgen sei auch noch ein Tag.
Und so war es dann auch.
***
—————————
1Der
in doppelter Bedeutung des Wortes ›schwergewichtige‹ Sack
Arbeitsfassungen enthält eine frühe Version
dieses undatierten Gedichts. Es heißt dort kühn binnenreimschmähend
: Tote trinken keine Biere. Im Sack Überarbeitete
Arbeitsfassungen findet sich ein unabgegoltener Strafzettel (Falschparken
einer Honda Dax — zur anschließenden Isolationshaft Koslowskis
an anderer Stelle mehr), Zeuge KHK Bodelschwingh (zum erbärmlichen
Schicksal Bodelschwinghs gleichfalls an anderer Stelle mehr). Die Vorderseite
des Strafzettels, auf der Koslowski noch Platz fand für epigrammatische
Erwägungen (Du-Sau-/-Ich-war-das-doch-gar-nicht, ich war nicht-mal-wach),
deren improvisierter Charakter durch die schmissige Durchstreichung noch
geschickt betont wurde, ist für unsere Zwecke weniger interessant
— auf der Rückseite aber führt Koslowski einen poetologischen
Autodiskurs zur Anne-Frank-Hymne, der in seiner Bedeutung nur E. A. Poe´s
The Rationale of Verse von 1848 vergleichbar ist : bezüglich
der Verfahrensweise des poetischen Geistes sei angemerkt, daß es
mir gelang, über Binnenreim Binnenschiffahrt zu assoziieren
und ich Formulierungen erreichte wie Tote steuern keine Boote.
Zu guter Letzt entschied ich aber doch für die strenge Form, weil
ich sie der Strenge des Themas als angemessen erachtete. Der Tod ist doch
unser aller Zuchtmeister. Und aus Deutschland. Freie Verse passen da nicht
und Brote sind einen Tick elementarer als Boote. Und sie
schmecken leckerer. Selbst noch das verdorbene Brot schmeckt schöner
als das frischer lackierte Schiff. Der Tod ein Meister aus Deutschland
? Koslowski der Meister des Komparativs schlechthin !
An dieser Stelle sei auf die Albernheit
der Bestrebungen einer obskuren Arthur-Fitger-Gesellschaft hingewiesen,
einem gewissen Arthur Fitger posthum für sein Lebenswerk den Friedensnobelpreis
und das Bundesverdienstkreuz Erster Güte zu verleihen weiter
im Text
2 oder wo immer sich
der liebe vaterländische Leichnam grad befindet, wie Koslowski
scherzend bemerkte; ja, oberflächlich hatte Koslowski sich schnell
erholt von seinem Stalinschock, so sehr er sich aber auch eilte : sein
Odenzyklus Der Tod Stalins aus dem Frühwinter 1956
dürfte den Generalsekretär nicht mehr erreicht haben und die
Chrustschow-Clique konnte nur wenig damit anfangen. Zumal sie ihn nie
zu Gesicht bekam — weigerte sich doch die gesamte Verlegerschaft
(Büttel der Restauration — so Koslowski) des Adenauerregimes
(Adenauerclan — so Koslowski), den Zyklus zu drucken weiter
im Text
3 Wirklichen Halt und Trost
und Entzückung bot ihm in dieser schlimmen Zeit nur das Erscheinen
der zuckmayerschen Bellmann-Übertragung bei S. Fischer. Drei
gute Männer, urteilte Koslowski. Daß Koslowski Ulla
Windblad oder Musik und Leben des Carl Michael Bellmann wirklich
gut kannte, geht aus dem nickligen Schreiben (archiviert vom sagenhaften
Kärrner E. Grundig) einer kleingeistigen Charge der delmenhorster
Leihbibliothek hervor : »... muß ich darauf bestehen, daß
Sie Regreß leisten. Ihre Buntstiftanstreichungen und -malereien,
der zerschnibbelte Schutzumschlag und der dreimonatige Verzug bei der
Rückgabe ...« Koslowski blieb souverän, die Säumnisgebühren
schuldig und brach den Kontakt umgehend ab. Unklar, ob Koslowski zu Lebzeiten
noch erfuhr, daß er in einem weiteren Unrechtsakt, derer so viele
sein Leben musterhaft adelten, lebenslang von der Nutzung öffentlicher
Leihbibliotheken ausgeschlossen wurde.
Im Übrigen : zum Begriff der Langsamkeit
bei Koslowski siehe Sack 12, in Meine hundert schönsten Taten
— Reden an eine uneingerufene UNO-Vollversammlung die Rede
67 : Ich bin entrüstet über den nur langsamen Fortschritt
aller gerechten Anliegen und Sonstiges weiter
im Text
4 Koslowski neidete es ihm
nicht : Brecht hatte den Preis verdient, wie er Brecht auch beinah mitgeteilt
hätte: Du hast den Preis verdient — so heißt
es in einem Entwurf zu einem unabgeschickten Gruß- und Betteltelegramm
in vertraulichem Ton.. In einem späteren Entwurf, Frühherbst
1957, heißt es Sie haben den Preis verdient. Der Forschung
tun sich hier Probleme auf : worauf ist der leicht abgekühlte Ton,
das Siezen der Leiche zurückzuführen? Ist es gesteigerter Respekt
? Oder lasen die künftigen Herausgeber des Sacks Unabgeschicktes
Handschriftliches doch richtig im ersten Moment, als sie lasen
Du hättest den Preis verdient ? War der Schmerz um Brecht
so groß, daß Koslowski kurzfristig eine getrübte Realitätswahrnehmung
erlitt oder ist das tote lyrische Du Ausdruck tiefer Vereinsamung und
Selbstansprache, präschizoid ? Merkwürdig ist und dringender
Aufklärung bedarf das Fehlen einer lyrischen Würdigung von Brechts
Tod. Vielleicht, daß doch etwas daran ist — wie böswillige
Medien seinerzeit schon hätten kolportieren können —,
daß Koslowski Brecht hinter vorgehaltener Hand für einen Schwächling
hielt (siehe die seinerzeit anonym in der delmenhorster Telephonzelle
massenhaft hinterlegten Flugblätter Brecht ein Schwächling
? Ja ! Für den Fall, daß Koslowski irgendwas mit diesen
Flugschriften zu tun gehabt haben sollte, machte vielleicht auch seine
von Heiner tradierte Bemerkung, die bisher nicht zugeordnet werden konnte,
Sinn : Weichei, wer sich ins Charité legt und an Lungenentzündung
stirbt weiter im Text
5 Daß selbst in der
schärfsten Krise Koslowski die Kreativität nicht lassen konnte,
ist mit folgendem Fakt belegt : keinesfalls gab es 1955 Veluxfenster :
und noch heute gibt es sie nur entweder aus skandinavischem Holz oder
aus Polyurethan — Koslowski weist über seinen Tod hinaus Wege.
Auch die Fertigbauweise begann erst langsam ihren Siegeszug. Zu untersuchen
bleibt die Beziehung zwischen Koslowskis Veluxgesicht und seiner Fenster-Urerfahrung
12 Jahre zuvor in Vancouver (siehe Anm. 14) weiter
im Text
6 Aus dieser Zeit stammt
das selbstverfaßte Epitaph Koslowskis Das letzte Sprudeln :
/ Entwichen / Umstanden von Pudeln / Unausgeglichen (vgl. R. Knospes
Aufsatz Koslowskis Verhältnis zum Hund oder
Der Schopenhauer von Iprump — Koslowskis Relationship to
Death, Dog and Dogma, bereits layoutet für die Nullnummer
der DELME). Knospe hat ein Konto (PGA Hamburg, BLZ 20010020,
Kt.-Nr. 307880-202) eingerichtet, dessen Erträge dienen sollen, Koslowskis
letzten Wunsch zu erfüllen und einen Steinmetz zu beauftragen, das
Epitaph dem bisher schmucklosen Grabstein Koslowskis zu applizieren. Überschüssige
Gelder werden verwendet werden, eine Koslowski-Rose, basierend auf einer
launigen Idee Kaiser Bokassas, zu züchten weiter
im Text
7 Siehe den Vers Der
Rauch, der Rauch, das ist mir einer / der wird am Ende immer kleiner im
Einleitungsgedicht Simplizität der komplexen Erscheinungs-
und Ausdruckswelt aus dem druckfertig vorliegenden Zyklus
Kinderverse von Erwachsenen weiter
im Text
8 Von Wieder zog die Fäden,
daß die empörte Vollversammlung der Commune von einer Verurteilung
Koslowskis absah. Noch Jahre später machte Koslowski sich Vorwürfe,
ich bin der geborene Freund der Disziplin, ich versteh nicht, wie
ich mich so hab gehen lassen können, ich hab nicht mal die Entschuldigung,
daß ich nicht wach war. Vielleicht war ich höchstens in höherem
Sinn nicht wach, wie er stammelte, glücklich, doch noch einen
Haken geschlagen haben zu können weiter
im Text
9 Der Irische Frühling
betrieb konspirative Stände mit Steinpilzen auf den Flohmärkten
im Umfeld weiter im Text
10 aus alten Armeebeständen
weiter im Text
11 d.h, er machte ein böses
Handzeichen weiter im Text
12 siehe zu Koslowskis Neigung
zum Adretten Koslowski, l´ami du peuple ? Anmerkung
8 weiter im Text
13 und ein Preis, wir wollen
das nicht vergessen, für den Koslowski im internen iprumper Kreis
großherzig immer wieder, zuletzt 1965, Stalin vorgeschlagen hatte,
dessen Studie über Marxismus und Sprachphilosophie halber
und seines Lebenswerkes. Siehe Georg Lebers Geheimes Tagebuch,
demnächst vorveröffentlicht im Stern : kaum
ein Zweifel, daß hinter dem im Tagebuch auftauchenden geheimen Kürzel
K. sich Koslowski verbirgt. Ein geheimes Treffen Koslowskis
mit Vertretern des Seeheimer Kreises kann nur undialektische Naturen verwundern,
die in revolutionärer Gesinnung nicht das zur höchsten Potenz
erhobene Bemühen um Ausgleich zu erkennen vermögen. Siehe weiter
Deng-Hsiao-Ping in Texas weiter im Text
14 Kein großer
Mann, war sein Urteil, Christentunte, der Reinhold. Etwas wie
den Winter in Wien, was ´ne dämliche Alliteration,
schreibt die letzte Klofrau. Nichts gegen Klofrauen. Ich selbst gehe bei
Karstadt gern auf ein gepflegtes Klo und arbeite übrigens grade an
dem Zyklus Herbst in Hersfeld. Koslowski war aber
nur gegen Petrus und Paulus, nicht gegen Jesus (siehe Koslowski,
l´ami du peuple ? in diesem Boten S. 11) Guter Mann,
Zimmermann meinte er über den Nazarener immer häufiger,
je älter er wurde, und : Der konnte nichts dafür. Wie Nietzsche
Nachdenklich nuschelnd soll, laut Heiner, Koslowski hinzugefügt haben
: Und wie ich weiter im Text
15 Koslowski wußte
um den Mythos von Sisyphos. Schon 1943 hatte ein wegen
Brautmißbrauchs einsitzender Frankokanadier Koslowski in der dreiwöchigen
vancouver Folterhaft durch die Gitterstäbe geraunt, bei Gallimard
sei in der Édition augmentée ein Erfolgstitel namens Le
Mythe de Sisyphe erschienen. Koslowski erschloß unter Inbetrachtziehung
aller Umstände sofort dessen Inhalt, war allerdings damals der Auffassung,
daß es neben dem Selbstmord noch mindestens ein weiteres Hauptproblem
der Philosophie gebe : das der höchstkonkreten Flucht. Der Koslowski
von 1943 sah im Suizid nicht mehr als eine Metapher für das Zersägen
der Gefängnisgitter. Im Übrigen aber meinte er : Gute Vorarbeit,
erfreuliche Studie, ohne Frevel und Makel der Mann. Was Koslowski
nicht wußte, war der bevorstehende Nobelpreis und Tod Camus´.
Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund der Verfügung mißgünstiger
Moiren der Briefkontakt Koslowskis mit Camus bereits abgebrochen, ehe
er zustande gekommen war. Spekulationen, daß Alberts Autounfall
Vorbild gewesen sei für den Koslowski von 1974, sind und bleiben
hohle Hirngespinste der Müßiggänger von der Arthur-Fitger-Sekte.
Nie hätte Koslowski freiwillig seinen Kampfplatz verlassen ! Auch
wenn Koslowski nicht nur ein Meister des literarischen, sondern auch des
historischen Zitats (wie er nicht nur der Meister des gesprochenen, geschriebenen
oder geflügelten Wortes, sondern gleichfalls der getanen Tat war)
gewesen war : sein ganzes Wesen, sein ganzer ... Es fehlen schlicht die
Worte zu dieser ungeheuerlichen Unterstellung weiter
im Text
16 R. J. Fischer, der sich
hier blutige Finger holte, weil er mit der Notation der wie rasend ausgeführten
Züge gar nicht hinterherkam, verfaßte anschließend seine
KoslowskiHuldigungsstudie : The King´s Gambit is busted.
Auch prägte er unter dem Eindruck dieser Partie den berühmten
Spruch, er kenne nur zwei Sorten Spieler, Meister und Patzer. Und
Koslowski. Aber der kleine Satan des Trotzes und sein legitimer Sohn,
der unbegründete Optimismus, nisteten zwischen den insertierenden
Ohrmuscheln — Fischer sollte den Tag darauf in einem Königsgambit
fürchterlich Prügel von Spasskij beziehen, als ob Koslowski
es ihm nicht vorgemacht hätte.
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