Worte über
Weimar
Leichenhaus der Literatur
oder
Über Goethe
Jakob Haringer, 1929
I Die kleinen Männer mit
den großen Aussichten
Auch diese ganzen goetheschen Jüngelchen,
Oberlehrer, Dichterlinge, Kaiserchen, Bennchen : man merkt es ihnen allen
an, sie haben alle ihren Goethe, ihre Kehrrichttonne viel zu
gut gelernt.
Ob sie nun Bahr, Hofmannsthal, Kerr, Hauptmann oder weiß der Teufel,
wie sonst sich diese Friseure nennen : was ist von ihnen heut noch lebendig
? fast nichts, und stellt man sich vor, daß manche dieser schmierigen
Sudler ihre Werke resp. ihren Auswurf bereits gesammelt
— wer liest sie heut noch ? Menschen nicht, höchstens Oberlehrer
und greisinnenhafte Intellektuelle.
Dehmel resp [!] Dämlich : (so ein Tichter war dieses Kamel :) gläubig
greifen wir zur Wehre / für den Geist in unserm Blut / Volk tritt
ein für seine Ehre / Mensch dein Glück heißt Opfermut
/ dann kommt der Sieg, der herrliche Sieg .... /
Mensch ! Wat, dat is scheen un dapfer ?
Oder Mann — ein blöder Jesuit. Ach und zum Kotzen langweilig,
was für brave folgsame Muttersöhnchen spinnt sein Sacharinhirn.
Vom größten Schuften Hofmannsthal ganz zu schweigen ! Hi, hi
! wie nur ein Vieh Hugo heißen kann ... Man könnte sie alle
der Reihe nach aufhängen diese Bürschelchen : Mäxchen Brod,
wozu sein dutzendekliges, philosofisch sein sollendes Geschwätz,
da ist mir wirkliche Philosophie schon lieber als so übel verwässerte.
Kellermann, Ponten, Hasenclever, Werfel, Hauptmann, Schnitzler : elendes
Gewäsch, natürlich bei allen mit sozialer Tunke : Die Dollarfürstin,
die ein Spital gründet etc.
Ach, sie sind ja alle heute schon erledigt, total erledigt.
Unsre Zeit eben hat Schriftstellerei zum leichtesten Handwerk erniedrigt,
denn es gibt Schuster, Schneider, Könige, Feldherrn und andere Gauner,
die gute Bücher geschrieben haben. Aber von all diesen heutigen Schmierern
kann keiner schustern, schneidern — nur zum Krieg resp. Massenmord
waren sie tauglich.
Und auch die besseren unter Ihnen, sofern es überhaupt noch welche
gibt, sie haben alle vergeßen, daß alle richtige Kunst fragmentarisch
ist.
Ein Vogel singt, wie sich´s gehört, der Fisch schwimmt. Warum
wollen diese schaffenden Laffen soviel voraus haben : sie werkeln,
formen, arbeiten und feilen, machen einfach noch mehr Dreck aus ihrem
Dreck.
Herrlich, wie dieser Massenmörder Goethe vertrottelt war, dieser
Vater aller Curt Mälerchen.
Man höre : Über gothische Baukunst : »kauzende, übereinander
geschichtete Heilige der gothischen Zierereien — unsere Tabakspfeifen
Säulen ...«
Oder : »In Indien möcht´ ich selber leben, hätt´
es nur keine Steinhauer gegeben ... die indischen Götzen sind mir
ein Graus ... der Italiener darf sich keiner eignen Baukunst rühmen
...« und später natürlich schmiert dieser Geck über
Paladio : »es ist wirklich etwas Göttliches, völlig wie
die Form des großen Dichters ...«
Für ihn ist E. Th. A. Hoffmann »unerträglich ... pathologischer
Fall.«
Seine Gemeinheit Beethoven gegenüber ist mehr als schamlos.
Sein Faust, seine Gestalten (Krüppel), sie lernen oder lehren Philosofie
usw. Als ob sich all dies anders als durch´s Leben lehren, lernen
läßt.
Es liegt mir fern, diesen Verbrecher zu kapitelisieren, seine Schweinereien
und Trotteleien aufzuzeichnen, ich habe Wichtigeres zu tun, sei es auch
bloß überhaupt Nichts zu tun. Ich verweise auf das Treffliche,
was Heine, Börne, Grabbe, Nietzsche und andere Ehrliche und Kluge,
über dies Aas festgestellt.
Auch Seb. Brunner, Alex. Baumgartner, Postkuchen, Eugen Dühring,
J. K. Manso (1759 - 1826), J. Froitzheim (F. von Sesenheim), Chr. Fr.
Nicolai, Willmann, W. Menzel, I. G. A. Wirth, Tolstoi und viele Andere
wussten klar und tapfer Bescheid.
Und recht erfreulich, daß auch die Jüngeren nicht vergreist
: so stand im Sturm 1921 Richtiges. Und C. Sternheim, R. Hülsenbeck,
M. Hermann-Neisse, E. E. Kisch bemerkten viel Wichtiges.
Den andern fehlt eben der Mut, gegen diese Seuche zu kämpfen, sie
bleiben eben Affen, die wacker im Chor mitgrunzen.
II Aas der Literatur
Ich lebe zu einsam, um einsam zu sein.
Aber von Goethe möchte ich nichts geschrieben haben. Schon deshalb
nicht, weil ich ihn dann mit dem teutschen Professorendreckgeschwerl und
allen übrigen Hakenkreuzlern gemein hätte, die alle die Dummheit
gepachtet und keine zwanzig Zeilen in ihrem Leben schreiben, ohne sich
auf ihn zu berufen, Ihn zu zitieren. Wo nimmt die Bande nur die
Frechheit her, vom Großen Hellenen zu quitschen.
Ich überlasse diesen literarischen Freibeuter, diesen Kellner, der
jeden Fusel nach seiner Art servierend, in Allem Schleim von seinem Schleim
sah, der nie in der Einsamkeit rang, sondern Geselligkeit brauchte,
diesen Literatenkrämer, diese Schuljungengeistmaschine, getrost den
Bürgern, Richtern, Journalisten, Plagiatoren oder den Alles Schön
und Wahre fressenden und auf ihre eigne Art wieder ausmistenden Ästhätentrotteln.
Er ist der Abgott aller Dilettanten. Deshalb laufen sie ihm auch alle
nach.
Es ist ja wahr, daß er oft Dreck schabt, aber es bleibt doch bloß
der Dreck Jedermanns, den er in seinem künstlerischen Friseurladen
aufspeichert.
Es ist natürlich, daß Der von jedem Oberlehrer mit seinem Mist
bestickte märchenseinsollende Scheißdreck nie um wahre Freundschaft
wußte. Er kannte nur Speichelleckerei, Götzendienst, Heucheln,
ein gemeines Ausnützen des Nächsten.
Eben weil der goethische Gipskopf mit dem eignen der Spießer kongruiert,
darum ist er klassisch.
Eine Nation, deren größter Dichter nicht vermag, aus ihrem
Kot auch nur ein wenig Menschlichkeit zu pressen, taugt nichts. Und der
Dichter, im Tornister getragen, während die Schlächterhände
Bruderfleisch würgten, taugt erst recht nichts.
Man sehe doch selbst, was das Volk ( — das, was sich dafür
ausgibt !) liebt : Memoiren der Rotzbuben und Metzger Wilhelms,
Ludendorffs, dazu Wagnerkitsch ( : wie ein Hund, dem man den Schwanz ausreißt.
Schon als Kind hörte ich mir seine Musik nur mit dem Buckel
an) und diesen vertrottelten, verblaßten Höfling.
Es ist ja immer noch dasselbe verblödete unverreckbare Idiotengelichter
der Vilmar sämtlicher anderen intellektuellen Affen — nein,
ein Affe würde sich schämen und schönstens bedanken, einen
solchen Kretin in seiner Verwandtschaft zu wissen. Und wenn sie einem
nicht ihre Fleischhauergrimassen auf Schritt und Tritt schleimen so verpesten
sie einem die Luft mit den giftigen Autogasen ihrer Hintergehirne. Heute
noch wird dir auf einer einsamen Waldbank bang und bedrückt, weil
gestern hier so ein Goetheaner seine geistige Notdurft verrichtet.
Es zeugt eben von dem Commisgeschmack des Gesindels.
Nein, der Trog mag vielleicht — schließlich manches Gute enthalten,
aber mir fressen zu viele Säue daraus.
III Anatomie Literarischer Speckwürste
Ich kannte Einen : er heißt Karl
Feigling und gibt ein schon uraltes katholisches Traktatblättchen
Sumpf heraus, eine Kaffeemühle, die schönen Mist und
Steine mahlt. — Aber es ist ja wurscht, ob es nun die verlogenen,
hundsgemeinen Dummköpfe der Neuen Rundschau oder anderer windiger
Käseblättchen, ob es die Seifenblasenmanieren vom Zwiebelfisch
— Stiebelwisch — Kasernenjargon ( — männchenhafte
Court-Mahler) — es ist gräßlich, daß sie sich nie
ausdrücken, ausdrecken können mit ihren Klasigern.
Ach du lieber Gott, diese Drückchen sind bescheiden wie eine Wursthaut
und passen ganz nett in dies goldene Zeitalter des Ersatzes, für
alle die um Titelkram, Orden, Pensionen ihr lausiges Wissen feilbieten.
Vielleicht stört mich, wenn ich älter bin, das Treiben dieses
größten literarischen Charlatans wenig (sicher es gäbe
Besseres als sich mit einer toten Memme zu balgen, mit ihrer unsauberen
Gefolgschaft zu raufen), aber noch glühts in mir.
Warum nimmt sich keiner von diesen Hornochsen Zeit einmal das ganz schurkische,
miserable, dreckige Rotzbubenverhalten dieses Mädchen für Alles
der Welt- (und was für Einer !!) -literatur (und was für Einer
!!), dieser Geistfabrik, dieser Automatenmaschine, gegen Hölderlin,
Jean Paul, Kleist, Grabbe, Lenz, Wagner, gegen all die Großen, die
im kleinen Finger mehr Herz und Dichtung hatten als der ganze Stinkkerl,
zu zeichnen. Sie haben doch sonst aus jedem Pforz ihres Affen kitschige
Parkanlagen und Trompetenstöße geschmiert. Ich verschmähe
hier schon, auf Arnim und den jungen Schiller einzugehen, die sehr richtig,
der eine früher, der andere später dieses größte
literarische Diebsreptil erkannt oder eben brauchten, sonst wäre
es ihnen ergangen wie den Anderen, die der Riesenarsch Gedäs zerquetschte.
O, ihr intellektuelles Dreckgeschmeiß, ihr Kerr und Heimannidioten,
euer Ehrgeiz, Eure Streberei ist ja doch nur eure Phrasenhintern gegoethelt
zu hören; ihr armen, naßen, abschreibenden Schuljungen !
Weil ihr eben nie ein richtiges Unterschiedungsvermögen [!] habt,
darum ist euer einziger Maßstab ein Götze, euer Saumagen verträgt
eben nur Gedä.
Es gibt nicht zwei Bücher, die euch so heilig wären, daß
ihr nicht daraus stiehlt. Ihr Bernusse, Edschmide, Werfels, Hillers, Hasenclevers,
Brods, Stuckens.
Ich laße ja getrost dem Volke (ach Herr Nachbar wie margarineneu
sieht ihr Dichterfürst aus !) seine PuppchendubistmeinAugenstern,
den Geleerten seinen
und ihren Abortquatsch, ich störe nicht die Goetheaffen in ihrer
Goethemenagerie, mein Gott, jedes Tierchen will sein Pläsirchen,
aber ich verbiete mir dies anmaßende Froschgequack, das uns jeden
Atemzug der Freiheit brüllend abhorcht und niederschlägt.
Das was vielleicht bleibt sind einige Fetzen Dramen und zwei Verse.
Aber dies rechtfertigt nicht das, was ihr aus eurem windigen Meier gemacht.
IV Huldigung gegen die Künste
Manches geht Einem dadurch verloren :
was schöpft man Alles in der Jugend aus Büchern und Menschen
und anderen Dingen, die einem im Alter dann klein, kitschig vorkommen.
Und doch war Vieles dieser glücklichen Torheiten der jungen Tage
größer als die schaale, letzte Weisheit der alten.
Aber ich könnte selbst um alles in der Welt dies seichte Getratsch
von Dichtung und Wahrheit oder das blödsinnige Schullehrerversgeschnatter
vom Faust ein zweites Mal kaum mehr hinunter würgen.
Man vergleiche den edlen Stil Lessings mit dem goetheschen, die Farbenlehre
Schopenhauers mit dem mehr als dilletantischen [!] Versuch Goethes, was
auch Schopenhauer wiederholt aussprach.
Ä, ä, — ganz nach dem berühmten Muster : Goethe —
vielleicht ist es mehr als Zufall, daß sich darauf Kröte und
blöde reimt.
Er weiß ja alles (s. Schweizer Reise) fein zu ordnen :
Sterne, Steine, Menschen, Dreck, Hofräte und zu verarbeiten.
(Euphrosyne :) er frägt selbst die Götter wie sie heißen
und was sie wollen, aber nicht wie vielleicht der verzweifelnde Hölderlin,
nein wie ein Commis.
Aber lesen Sie doch die saudummen Witze der Idioten Vilmar, Bartels oder
parfümierter Sacharinaffen vom Schlage Grillparzer, Hofmannsthal,
Steiner, Zweig.
Würde doch endlich einmal einer dieser Schwächlinge zu denken
versuchen, daß er nie denkt.
Diese Trichinen kommen höchstens mit dem alten stinkenden Käse
: ... er ist nicht befugt etc. ... es fehlt ihm die wissenschaftliche
(!!!) Büldung ...
Ich hör dies Gesindel heut schon gröhlen über mich : ...
nichts war ihm heilig (Verehrte : Nichts ist mir stets heilig).
Sogar die heuligsten Güter unserer grosen Nazion pöbelt er an.
Hätte er fleißig an seinem, ihm gegebenen Talentchen gearbeitet,
sein kleines Gärtchen gehegt, so hätte er sich wohl die Achtung
der Mit- und Nachwelt erworben und wär als bescheidener Trabant hinter
unsern Größten nachgezogen.
So aber ... pfeif ich auf euch Därme und Schufte.
Also, weil einer nichtwie ihr Dreikäsehochs ein Dutzend väterliche
Hosen auf stinkigen Abortuniversaalbänken durchgewetzt. Je mehr Wissenschaft,
je mehr Schwindel und Blödsinn.
Um Himmelswillen, als ob nicht eure ganze Wissenschaft der Teufel holen
könnte.
Tja, wahrlich, in jedem Wiener Gassenhauer steckt mehr Lebensfilosofie
als in eurem ganzen goetheintellektuellen Spengler-Rathenau-Keyserling-Steinerkröten-Gewinsel.
Sie gehen in die Kirche oder zum Rat; lesen, dichten, malen musizieren,
schreiben, um — ihre geistige Notdurft zu verrichten.
Was wissen denn überhaupt diese ganzen Großen klassischen Geisteskrüppel
?? statt zu leben schmieren sie Bücher.
Alle ihre Kunst ist geistige Onanie.
Ich verstehe, warum manche Menschen ihren eignen Kot betrachten und am
Duft ihres Pforz´ Geschmack finden. Es ist klar, daß dies
alles ein besserer Gesundheitsbarometer ist, als alle literarischen Ärzte.
Aber und das ist der Schwindel, wenn so eine goethesche Nummer hergeht
und über Pforze, Durchfall, Scheibenschießen und anderen Bockmist
tagebucht und diese Würste von seinen Leithammeln verhimmelt werden.
Oder seht euch doch diesen Geistesheros an, der nach Aussage seiner Angehörigen
von einer furchtbaren Ängstlichkeit, den Bettlern erst dann einen
Groschen gab, nachdem er — wirklich er hatte den Mut dazu —
ein peinliches Kreuzverhör mit den armen Teufeln angestellt und den
Heller dann getreu in seinen Tagebüchern registriert; unter dessen
Zornausbrüchen, Weinräuschen seine Bediensteten so sehr litten;
der wie seine Angehörigen versichern sich sehr oft blöde
fühlt. Ja, er brachte es dahin, daß die Toten nur mehr nachts
zu Weimar ihre letzte Fahrt machen durften, da ihm »schon der Anblick
von den Wägen peinlich.«
Oder wem imponiert (außer den intellektuellen Giftvipern), das Verhältnis
zu seinem Sohn August, das täglich in dem sehr geistreichen Dialog
bestand :
»Lieber Vater, wie haben Sie die Nacht geruht ?« Und darauf
die tiefe, echt goethisch-poetische Antwort :
»Lieber August, wir haben eine leidliche Nachtruhe gehabt und geruhen
in diesem Augenblick nichts anzuordnen.«
Und heute, wo sich nur mehr Der glücklich und als Wunder des Jahrhunderts
schätzten [!] darf, der — nichts ist — unterschreibe
ich voll und ganz die sehr wahre Sprache Grabbes, des größten
Dramatikers der Deutschen, über dies mottenzerfressene Motto.
Geht zum Teufel, saut auf die Universitäten mit diesem »wässrigen,
jammerhaften Faust«, mit diesem Ideal universaler Trottel.
Den zusammengestohlenen Versen, Dramen, langweiligen Romanen des zum Höfling
gewordenen Kaufmannssohnes.
Als ob dies Uns heut noch was anging, mit was sich dies Idiotenreptil
gelangweilt.
V Großes literarisches Bratwurstessen
Im März 1924 beschloß das Studentenpack
der Wiener Universität zu demonstrieren, nachdem es mit zu wenig
Leichen beliefert würde.
Also Leute verreckt, auf daß bestialische Jüngelchen Arbeit
haben.
Und ihr alle, denen ein lieber Todesengel eine bittre Gnade erfleht, laßt
Euch von diesen literarischen Tuberkeln zerfressen
Bezeichnend für diese Metzger ist, um nur einen dieser Raubmörder
zu zitieren : Prof. Dr. Jul. Meyer, Major d. R. a. D. : »Auch der
Gaskampf ist ein Ruhmesblatt der deutschen Wissenschaft, des deutschen
Volkes in gewaltiger Zeit.«
Dieses ganze Goetherindvieh und fingerfertigste Tichtertausendfüßlerpack
: sagt man, was nicht in ihre geistig sifilitische Zuchthaussuppe paßt,
so kommen sie sicher entweder mit Phrasen wie : Das ist jesuitisch oder
nicht kötisch oder sie finden einen Fehler im System oder
sie trichinen : arbeiten Sie an sich selbst, Verehrter; Kunst ist ein
ewiges Arbeiten an uns selbst.
Diese geistige Hirneiterung einer gewissenlosen Pharisäerbande !
eines intelligenten Rattenschwanzes.
Und ist es nicht so sehr der Mann als das Prinzip.
Man mag schließlich gelten lassen, daß für Viertelstunden
eine kleine Unterhaltung manches goetheschen Schwefels genügt, jedoch
nie und nimmer für Stunden des Absterbens.
Denn wenn so ein deutsches Goethevieh liebenswürdig ist, so nimm
als sicher an, es ist ein Judas, wie er.
Es ist mir, lese ich Seine Wärge, als läse ich Courts-Mahler.
Tja, ich gestehe dann, diese menschen [!] sind mir fremd, weil sie keine
Menschen sind.
Dagegen grüßen mich die Gestalten Jean Pauls, Büchners,
Eichendorffs, Stifters, (oder dem Spießer zum Trotz — ganz
ihm Unbekannte) Widmanns, Mosenthals, Dostojewskis als liebe, gütige
Bekannte.
Oder Hölderlin, der der deutschen Sprache die Schönheit gegeben.
Und ist mancher, aus unsäglicher Wahnsinnsnacht und Nebel so schlecht,
ja an Keinem läßt er was Guts, und es hätt´s doch
gewiß Mancher, aber so stolz auch dies Wurmknie — vor dir
sind wir klein. Was kein Gott vermag, du machst, daß ich wieder
weinen muß, wie in seliger Kinderzeit.
Und auch dich bespie dieser Erzsatan aller Verlogenheiten. Wie
er auch unsäglich Kleist und Lenz beschmutzte.
Das ist nie ein ewiges Werk, das aus lauter Notizen und hirnern Spießertagebüchern
sich entwickelt.
Man verstehe : ich gedenke (heißt es oft genug in seinen Briefen)
dies für das (und das für dies)
verwenden zu können.
Die Werke der Ägypter, Griechen und Chinesen aber und aller anderen
Großen zeigen jedoch, daß sie nie und nimmer so entstanden.
Er verwendet (stiehlt) eben alles, alles, Alles — Alles.
Ob es nun die Volkslieder, Jean Paul, Schiller, Wagner, Lenz, Klinger,
oder überhaupt irgendwas Gedrucktes. Er verwendet schließlich
Sich selbst wieder unzählige Male. Er vermetzgert alles,
alles. Metzger haben ja sonst ein ehrliches Handwerk. Aber Er
ist ein feiger, erbärmlicher Raubmörder !
Ein Fachtrottel wie Erich Schmidt hat die Borniertheit zu winseln : so
treu hat (Unser !) Goethe sich an die Vorlage gehalten, daß der
französische Dolmetscher seines Clavigo hier ohne weiteres
zum Urtexte zurückkehren kann.
Warum schreibt dieses Vieh nicht einfach und ehrlich : (Unser !) Goethe
bestahl (in diesem Falle ausnahmsweise) nicht, nein er schrieb Beaumarchais
buchstäblich ab (wie so unzählig viel andere auch).
Ließ sich auch mancher, wie Novalis erst von ihm blenden,
so sah er doch später (wie die Besseren alle) ein, wie in größtem
Maße undichterisch Vieles.
Er hat sich nicht für Fichte verwendet, als es darauf ankam.
Er hat alles Große, Wahre, Edle verschissen.
In seinem verbrecherischen Trottelneid schwieg er dem schönen romantischen
Schaffen Arnims gegenüber (Arnim schuf zwar auch echt patriotisches
Fusel-Geschmier, aber Ehre, wem ...) oder gympelnasiallehrerte höchst
abfällig darüber.
Das ist (bei Kotzebue) ja immer so in Deutschland : trompetet mit seinem
Hirnhintern ein Luterat resp. Professor resp. hakenkreuzlerischer Esel
: Das taugt nichts, so gröhlt der ganze Chor. Wenn die Kerle, die
Banditen ehrlich wären, ich würde sie fragen : Ja, haben Sie
denn irgendwas von Kotzebue gelesen ? Und eben, wenn Trottel ehrlich wären,
müßten sie sagen : I, Gott bewahre, es steht in meiner Literatur-Geschichte
und dat jenigt mich !
Man sage mir nicht : ein großer Mann hat auch seine Schwächen.
Nein : ein großer Mann ist überall und immer gütig, edel,
brüderlich.
Und es gibt kein verlogeneres Sprichtwort [!] (natürlich sind alle
Sprichwörter verlogen) als man muß mit den Wölfen
heulen. — Ein aufrechter Mensch wird nie mit Pöbel und
Alltag gehn.
Und es war ja doch nur Alltag, Streberei, Ehrgeiz, Dieberei — die
den Commis resp. den ghöterich Meier zum Dichterling begeusterten.
VI Vorwort zu einem Vorwort
Jeder Spießer, der ins Kino walzt,
tut dadurch was fürs Gemüt; nur du, mein Sohn Brutus, treibst
keine Seelenkultur. Wie ? Ihr meint ? eben, das Selbstüberwinden;
wer zu oft sich selbst bezwang, ward am Ende matt und schwach. Und sterben
muß er doch. Wenn er auch marsisch und mondisch kann.
Freilich, man ist befriedigt, sobald man verzichten kann. Das wäre
schön und doch mehr als menschlich.
Religion ? Seid bedankt für diese Hure des Geistes (Geist —
so viel wie : Idiot, Köthe).
Tja, weint mich aus, oder möcht ihr mich auslachen. Dazu seid ihr
zu krötisch !
Ich will nichts sein, als — Mensch. Und dies — ist vielleicht
nicht so gering.
Nichts ist lächerlicher, als die Leute, die — weil sie in der
Fremde oder im Bücherkasten alten und neuen Trödel gesehen —
mit ernsten Gesichtern zurückkommen. Bei euch muß immer der
Inhalt den Inhalt eines Werks ausmachen. Und nicht das Herz !!!
O, ihr Jüngelchen der Romantik, des Futurismus, Expressionismus,
Naturalismus, Dadaismus; alle, alle ihr Steiner-Rinozerößer,
die da dachten zur Vervollkommnung der Kunst (o all ihr künstlerischen
Dichter und Maler, seid ja bloß wie euer Meier Raubmörder
der Natur) gehöre eine Romanse, eine viehlosoßische Abhandlung
über Köthe, ein paar besoffne Lyrikbände oder mannsche
Romanbewässerungsanlagen, ihr seid samt und sonders nichts als äffische
Plagiateure und Meierianer, Professor-Biebichen, René Schickeléchen
und Karlchen Kraus — der Grausige ... diese größenwahnsinnigen
Läuse.
In wieviel hundert Eurer (sogenannten) Romane wimmelt es nicht von : er
(sie) kannte seinen Goethe, ein goethemeier Vers fiel (ihr) ein, geschweige
erst von den meierischen Mottos, die alle verlogen.
Und hat Er sich doch selbst über seine Lyrik im Wilhelm
Lehrling, zweites Buch, anfangs zweites Kapitel das Urteil gesprochen.
Weil dies Vieh Schmidts von Wernuchen zarte, innige Naturbeschreibung
nicht verstand, obwohl dieser hundertmal origineller, beschmutzt, verspottet
er ihn.
Und was war diesem Aas Schubert ??
Ja, selbst der meierianische Schmierer Ernst von Wolzogen findet Manches
im Willy Lehrling unglaublich ungeschickt und behauptet, daß Er
ganze Bände bloßer Exkremente (o, ihr Lilateraten : da habt
ihr : Kunst ist Arbeit, Werkeln, Grübeln, Meißeln, Läutern)
hinterlaßen und es in allen Romanen und Novellen nie zu einer flüssigen,
klar aufgebauten, dramatisch gespannten Handlung gebracht, ganz abgesehen
von der (sehr frühen) Altersschwäche, die Romanform als Ablagerungsstätte
für alle nur möglichen älteren Manuskripte zu mißbrauchen.
Es ist überhaupt höchst kitschig von Unseren Dichtern,
die Soßen, die sie uns erst durch ihre Werke aufgetischt haben,
nun nochmals verwässert, verdünnt als Briefe, Erinnerungen,
Tagebücher etc. aufzuwärmen. Natürlich ist die Sache
anders bei Staatsmännern.
Und es ist ja typisch für Deutschland, daß damals der Freien
Schulgemeinde Wickersdorf, weil sie nicht so nach Goethe stank, verboten
wurde zu unterrichten.
Seine Geselligkeit, sie ist ja nicht mehr als höchstens
die unbewußte Flucht vor sich selber. Er konnte nie einsam sein,
wie Hölderlin, Trakl, — die hingegangen, schön wie die
Nacht.
Es ist ja wahr, je öfter wir bei großen Lügnern und Götzen,
desto mehr werden wir um die Wahrheit wissen. Aber wozu zu den Bibel-
Kegel- Dante- und übrigen Idioten-Gesellschaften auch diese Kötegesellschaft.
Wozu dieses ganze blödsinnige Trara vom Kampf und Leiden eines Kötevolkes
?
O auch die Besseren ... sie sind alle so schwer, wie Nebel und Traum.
Und ihr Sehnen bringt Uns wohl all die Bangigkeiten eines Jungen, aber
es erlöst nie.
Was sind die Tränen einer verlaßnen, verzweifelnden Mutter,
Geliebten, eines hungernden Kindes dagegen. Geht in die Armenhäuser,
geht in die Schulen und schaut in die blassen, hungrigen Kindergesichtlein.
Was könntet ihr Gutes, Besseres tun, als kötisch zu sein, zu
schmieren.
Ihr, tja, haltet so einen Kötemann beim Wort ! — als ich ihn
hielt, lief er davon und in der Hand hatte ich das abgerissene Wort. Er
war längst in den Bergen der Spießerei.
Wenn die Arbeit nicht wirklich zu schmierig — ich tät dann
nach Corvins Pfaffenspiegel einen Lilateratentrottelspiegel schreiben.
Die Heldentaten dieser Kötevaterländler geißelnd meißeln.
Aber es lohnt sich nicht dieser Geistesfürsten. Waschweiber haben
mehr Verdienste !!
Eure Herren Vorredner im Reichstag oder in den sonstigen Ställen
wo Köte hängt : ja es ist nur zu wahr, daß sie sich nur
etwas vorreden.
Aber der Prolet, der zu Suppée, Strauss nichts zu bemerken hat
als : a schöns Stückl und sogar in seiner Besoffenheit
noch Das bewahrt, was beim Spießer : Anstand; der die Kellner mit
Wein und Zigaretten traktiert, für die Anderen, die ihn
verulken, — im Grunde hat er mehr Verstand als alle drachigen Universitätsdeppen
— die Zeche bezahlt — ach was für Perle in Eurem Schlamme;
Im Kot dessen, der sich Zeit seines Lebens in einer geraubten Alabasterurne
alle abgeschnittnen (hirnern) Fuß- und Handnägel aufhob. Mir
stinkt das abscheuliche Zeug zu arg.
VII Dialog in violett
Der Jüngere : Früher,
ja, da floh ich auch diese Memmen, aber ich hatte noch so viel Kraft,
um mich an meiner Einsamkeit zu berauschen. Heute weiß ich, daß
selbst ihr Atem giftig.
Der Ältere : was fliehst du sie, schau dir doch diese Fressen
an (von Antlitzen zu sprechen wäre absurd), diese intellektuellen,
angefreßenen Schauspieler-, Opernsänger-, Schieber-, Wucherer-,
dichterisch Betriebsamen-Visagen; die können mich wahrlich nicht
zur Flucht und Selbstflucht treiben.
Aber du darfst das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Auch ich
kenne welche. So alte verträumte Professoren, greise Herren und Jünglinge,
die Essen und Trinken über einen alten Schmöker vergessen. Es
sind die lieben, guten deutschen Michel, die ihre auf der Nase sitzende
Brille suchen, die wirklich hungern, um sich die Stube mit Folianten auszutapezieren,
diese märzlichen Bücherwürmer laßen mich wieder an
das Deutschland Dürers, Eichendorffs, Hoffmanns, Jean Pauls glauben.
Der Jüngere : Du magst in Vielem recht haben. Es ist klar,
daß Uns, die wir von Menschen und Zeiten zerhetzt, die wundervolle
Plastik Barlachs, die Bilder Betzlers, Seewalds, Genins, die Verträumtheit
Langhammers mehr, als der Kitsch einer Sixtinischen Madonna; die Schwermut
Hölderlins mehr als dies spießerisch Geklärte dieses Goethe
oder anderer Betriebsamer, sagen. Aber ich wage es nicht, solange noch
an mir selber Makel kleben (und die trag ich, solange ich Mensch bleib)
will ich Keinen verdammen.
Vergiß nicht das Lied, das die Mädchen vorüber singen.
Oder fällt dir keine schöne Sünde der Knabenzeit ein. Vielleicht
schimmert doch eine Güte.
Was soll uns denn helfen sonst in diesen furchtbaren Zeiten des Materialismus,
wo nur trostlos Arme und schamlos hundsgemein Reiche. Ach, wie schon die
Allerjüngsten bitter kämpfen müssen, um leben — o,
dieser Hohn auf alles Leben — zu können.
Und es wird noch schlimmer. Heute schon ist Landstreichertum und
Dachstubenelend verfehmt.
Und wenn die Ergüsse dieser neuen Streber wirklich nicht in Dachstuben
entstanden, so beweist dies in erster Linie nur, daß sie nichts
von der Größe haben, der gewaltigen Dichtungen (ich brauche
wohl keine Beispiele anführen), die in Kammern der Armut entstanden.
Sie wissen ja nicht, daß die Dachstube zum blauen Abendgarten blühte
und kennen nicht die seligen Gefilde des Wandertums.
Und die Zeit wird nicht all zu fern sein, wo man Worte wie Schwermut,
Güte nicht mehr kennt.
Der Ältere : Nun fängst du gar an pastoriös zu
wimmern, aber dies soll wohl bloß eine gefühlsduselige Ausflucht
sein.
Ach, noch viel unglücklicher bin ich, als ich eigentlich sein sollte.
Und wär so frühlingsfrisch die Dämmerung. O, wenn es Tiere
wärn ! aber bloß Tiermenschen und Menschentiere. Und all die
Seelen-Parfüms, die betörten ! Ach, wo Türen sind, ist´s
dunkel. Aber es ist gut : Wenn Einen alle verrückt gemacht und Einem
Keiner mehr hilft, kommt man endlich wieder selbst zur Vernunft.
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