Ist diese Linie richtig ? Ja, sie ist richtig.             Josef Stalin
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Rede von Karl Roßmann anläßlich
der Erdbestattung Waldemar Koslowskis
im Bremer Stadtwald

mitstenographiert

     Meine sehr verehrten Damen und Herren, obwohl, wie ich feststellen muß, nur Herren zugegen sind, gleichwohl die Gebote der Höflichkeit die volle Anrede einer wie auch immer fiktiven Trauergemeinde erfordern, es könnten sich ja etwaige Damen, aus Gründen der Verschämtheit oder des dem weiblichen Geschlecht eigenen Hangs zur Heimlichkeit, in den nur schwer einsehbaren umliegenden Büschen oder hinter den mächtigen Bäumen dieses schönen Parks verborgen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin froh, daß die Initiatoren dieser feierlichen und nicht gerade zu früh kommenden Bestattung unseres geliebten Mentors, Freundes, Kampfgefährten mir — einem einfachen Kripobeamten aus Hannover — erlaubt haben, bei dieser Gelegenheit das Wort an Sie zu richten.
     Kripobeamter, sage ich, und möchte Ihren verwunderten Gesichtern gleich Erleichterung im Mienenspiel verschaffen, insofern ich Sie darüber aufkläre, daß ich auch und gerade als solcher durchaus befugt und begabt bin, hier zu sprechen, denn ich bin leitendes Mitglied der Koslowski-Sonderkommission K5 beim Landeskriminalamt Niedersachsen mit Sitz in Hannover. Hannover, sage ich, und sehe schon den einen oder anderen ungläubigen Thomas mit der Frage schwanger gehen, was zum Teufel die Hannoversche Kriminalpolizei, dazu noch auf niedersächsischer Landesebene, mit Koslowski zu tun hat, so intensiv tatsächlich, daß es mindestens 5 Kommissionen dazu braucht.
     Aber genau darum spreche ich hier.
     Als Abgesandter der K5, die von allen Kommissionen, die wegen Koslowski eingerichtet wurden, die bei weitem wichtigste und mit den größten Befugnissen ausgestattete ist, will ich Sie hier, bei diesem eigentlich freudigen Anlaß, vor allem warnen : der Feind, mit dem wir es zu tun haben, ist gefährlich. So gefährlich, daß schon seit Jahrhunderten im niedersächsischen Raum vor ihm gewarnt wird. Ich will nur ein Beispiel aus der Geschichte der Kriminalistik Hannovers geben, um Ihnen die Gewißheit einer immerwährenden Wiederholung des Immergleichen, wie sie sich beim Feind darstellt, auf das Schlagfertigste vor Augen zu führen. Ich zitiere aus dem Hannoverschen Polizeiblatt, 8. Band, von 1854 (an dieser Stelle hob der Redner die Jahreszahl durch eine sich überschlagende Stimme besonders hervor, Anm. des Transkribenten ) :
»Theils vom Weserstrome her, theils aus Holland, mittelst Schleichens durch Ostfriesland, fanden sich nemlich nicht selten schlechte Subjecte, deren Gemeingefährlichkeit man im Hanoverschen besonders in folge der Wirksamkeit des Polizeiblatts schon kannte und beachtete, im Oldenburgischen ein, galten entweder dort für ungefährlich oder wußten sich doch dort zu verbergen, traten dann bei passender Gelegenheit über die Hannoversche Gränze und schlüpften nach verübten Verbrechen, sofern sie nicht auf der That ertappt wurden, ins Oldenburgische zurück«
     Ich brauche in diesem Kreis von Eingeweihten wohl nicht zu betonen, daß der Begriff »Oldenburgisch« in seiner Weitgefaßtheit und Unschärfe eine geschickte Tarnung des wahren Gebietes darstellt, jener Region, die Stadt zu nennen wir uns scheuen, die aber — und hier muß man den Oldenburgischen, die wir ansonsten gerne in unserem Bundesland zuhause sehen, tatsächlich wegen der Erteilung der Stadtrechte einen Vorwurf machen — selbst sich als solche sieht, jenes diffuse Gebilde, angeschlossen an das Schienennetz der Deutschen Bahn, das sich selbst nennt : DELMENHORST.
     Ja, da sehe ich Sie zusammenzucken. Und gleichzeitig scheinen dieser Ort und diese Gelegenheit, die feierliche Bestattung unseres verehrten Freundes und Führers Waldemar »K5« Koslowski, nicht passend für eine tiefere Betrachtungsweise Delmenhorsts, da doch unser allgemeiner Abscheu trotz großer Widerstände auf die Person des geliebten Verstorbenen abfärben könnte — wissen wir doch alle, wie tief er mit und in dieser Stadt verstrickt war.
Denken wir.
     Und darum bin ich hier. Denn der Tod und das Auffinden der Leiche Koslowskis wie überdies die schändliche Vergessenheit Koslowskis bei den Einwohnern Delmenhorsts, die wir als Indiz für einige Ungereimtheiten nur zu gerne übersehen, werfen einige Fragen auf (An dieser Stelle Schluckgeräusche beim Redner, Stöhnen im Publikum - der Transkribent).
     Lassen Sie mich einige dieser Fragen aufwerfen :
     1. Hat Koslowski wirklich in Delmenhorst gelebt, oder war vielmehr Delmenhorst sein Tod ?!!!
     2. Wieso war der Transmissionsriemen seiner Honda Dax an zwei Stellen stümperhaft (wahrscheinlich mit einem Brotmesser aus Delmenhorster Eigenproduktion) angesägt ?
     3. Warum riechen die Kleider Koslowskis heute noch nach Linoleum ?
     4. Wo kaufte Koslowski wirklich seine Brötchen ? War es tatsächlich — wie manche behaupten — am zentralen Omnibus-Bahnhof Delmenhorsts, oder war es nicht vielleicht — wie wir mittlerweile ermittelt zu haben glauben — das Roland-Center in — und ich betone das — BREMEN, wo er sich mit linoleumfreien Backwaren versorgte, immer aus der Befürchtung heraus, einer schleichenden Vergiftung zum Opfer zu fallen ?

     5. War er wirklich Abonnent des Delmenhorster Kreisblattes ? Das wissen wir mittlerweile aber besser, meine Herren.
     Diese fünf Fragen nur zur Anregung. Ich hoffe, Sie haben einen Begriff davon bekommen, welch ungeheure Arbeit noch vor der Koslowski-Sonderkommission K5 liegt, und welche übermenschlichen Anstrengungen wir unternehmen müssen, um endlich Licht in das Dunkel der immerwährenden Delmenhorster Nacht zu bringen. Sie werden auch verstehen, daß ich aufgrund der politischen Implikationen viele Dinge hier nur andeuten darf, die Sache ist heikel und schon der kleinste Fehler oder die kleinste Unachtsamkeit, das falsche Wort an der falschen Stelle, ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl usw. könnten 25 Jahre Ermittlungsarbeit, mein Lebenswerk und das vieler Kollegen zunichte machen.
     Dennoch, um einer Enttäuschung Ihrerseits, die Sie doch ausgewiesene Freunde, Bewunderer, Anbeter, wenn nicht gar Sexualpartner des Verstorbenen waren, vorzubeugen, habe ich — nach Rücksprache mit den anderen Koslowski-Sonderkommissionen — ein paar Leckerbissen aus unserer Ermittlungsarbeit zusammengetragen, die Sie mit der ansonsten fleißig geübten Diskretion in meinem Vortrag versöhnen sollten (An dieser Stelle zahlreiche Ohs und Ahs im Publikum - d. TrsSkrib). Ich referiere in fünf Punkten :
     1. Waldemar Koslowski ist nicht, wie oft irrtümlich gemeint wird, mit dem polnischen Filmschaffenden Krzysztof Kieslowski in irgendeiner Weise verwandt, verschwägert oder auch nur zu verwechseln. Dieses ärgerliche Mißverständnis hat unsere Arbeit oft auf das unerträglichste erschwert und wir sind es eigentlich leid, immer wieder darauf hinzuweisen. Also, Leute, reißt euch zusammen, ihr wißt doch, wie sehr das Katholische ihm zuwider war.
     2. Als Minigolfspieler war er, entgegen anderslautenden Gerüchten, eher medioker. Darum schlage ich vor, auch hier in Bremen das Waldemar-Koslowski-Gedenk-Minigolf-Masters abzuschaffen, wie wir es bei der Hannoverschen Kripo bereits getan haben.
     3. Schuld am Tod von Waldemar Koslowski war natürlich die AFG/AO, die im übrigen mit Hamburg nicht das geringste, mit Delmenhorst aber alles zu tun hat.
     4. Ein später noch zu ermittelndes Mitglied der WKGFFK wurde in der Hamburger Kunsthalle beim Betrachten von Fitger-Malereien beobachtet. Da sehe ich schon ein ängstliches Gesicht — mach Dich auf was gefaßt, Freundchen.
     5. Die AFG/AO ist gar nicht aufgelöst. Die entsprechende Erklärung ist eine — ich spreche hier nicht nur im übertragenen Sinne — Delmenhorster Nebel- wenn nicht gar Stinkbombe.
     Soweit so gut. Ich bin stolz, hiersein zu dürfen. Die Auffindung der Leiche Koslowskis ist ein Triumph. Die mysteriösen Umstände dabei sind noch eingehend zu untersuchen. Lassen Sie mich Ihnen eins versichern : die Koslowski-Sonderkommission K5 wird das ihre dazu beitragen.
     Lang lebe Koslowski, auch wenn er lang schon tot ist.
     Ich danke Ihnen. (Langanhaltender Applaus, Hochrufe, Freudentränen - der TS.)

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