»Sterben, Schlafen — Schlafen, Träumen
vielleicht«
Zum Spiegelstadium bei Lacan
von Johannes Bittel
I. Einführung
In der
Theorie des Spiegelstadiums beschreibt Lacan das Ich des Menschen als
exzentrische Wahnbildung, »als jenen Wahnsinn, durch den der Mensch
sich für einen Menschen hält« 1;
Das, was der Mensch für sein Ich hält, ist ihm nicht von vornherein
gegeben, sondern wird in einem dramatischen Augenblick ergriffen. Dieser
Augenblick ist eingebettet in eine Spiegelstruktur, die sich dem Menschen
als eine ihm äußerliche aufzwingt, daher das Ich selbst äußerlich
erscheint. Das, was der Mensch als eigenes annimmt, seine Selbstgewißheit,
ist ihm ein fundamental Fremdes. Das, an dem der Mensch seine Identität
findet, befindet sich außerhalb von ihm.
Lacan stellte diese Grundaussagen
der Spiegelstadiumtheorie 1936 auf dem internationalen Kongreß für
Psychoanalyse in Marienbad vor, »wo ich am Tag nach meinem Vortrag
über das Spiegelstadium mich verabschiedete, um dem Wind der Zeit
nachzuspüren, einer Zeit voll dunkler Verheißungen, der Olympiade
in Berlin«2 Der Text von 1936 wurde
nicht veröffentlicht, anläßlich des Folgekongresses 1949
in Zürich erschien eine überarbeitete Fassung mit dem deutschen
Titel Das Spiegelstadium als Bildner der Ich-funktion — wie
sie uns in der psychoanalytischen Erfahrung erscheint.
In dieser Theorie geht
es um Genese und Funktion des menschlichen Ichs; um eine entwicklungspsychologisch
bedeutsame Lebensphase; um die Grundlegung einer ontologischen Struktur,
die der Mensch, die den Menschen in Bezug zur Welt unterhält;
um die Bestimmung des Punktes, an dem Natur und Gesellschaft sich treffen;
um die Folgen der Unangepaßtheit des menschlichen Organismus an
seine Umgebung; um Liebe und Tod; um Narkissos.
Die Struktur bildet sich
beim Säugling zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat heraus. Ihre Wirkung
kann beobachtet werden und bildet Rahmen wie Arena für ein Drama.
Das deutet auch der französische Titel Le Stade du miroir
an, insofern Le Stade eine zeitliche Dimension (Stadium) und
eine räumliche (Stadion) besitzt. Das Drama spielt in einem imaginären
Bereich, d.h. es geht um Bilder, um Körperbilder : um die Opposition
zwischen dem Bild, das ganz erscheint (dem des eigenen Körpers) und
dem, das sich fragmentarisch und zerstückelt zeigt.
Wenn im folgenden von dem
Säugling vor dem Spiegel die Rede sein wird, so ist dabei zu beachten,
daß der Spiegel lediglich dazu dient, eine Struktur, eine Situation
exemplarisch zu verdeutlichen, die von einem wirklichen Spiegel weitgehend
unabhängig ist. Die Spiegelmetapher soll die imaginäre und duale
Situation, in der das Drama spielt, unterstreichen. Das Spiegelbild selbst
— Imago — ist in weiterem Sinne als Bild, Statue, Wachsbild,
Traumgesicht, Echo, Maske zu verstehen.3
II. Das Drama
1
»Ich bin das, was ich scheine, und scheine
das nicht, was ich bin, mir selbst ein unerklärliches
Rätsel, bin ich entzweit mit meinem Ich !«4
Der Mensch
erkennt im Alter von etwa 6 Monaten zum ersten Mal sein Bild im Spiegel
als das eigene, sich selbst, außerhalb von sich. An seiner Mimik
ist ein »Aha-Erlebnis«5 abzulesen.
Die Erkenntnis des eigenen Bildes löst eine Reihe von Gesten und
motorischen Aktivitäten aus, die bezüglich der Körperbeherrschung
noch unkoordiniert sind und eine weitgehende Hilflosigkeit auf Seiten
des Kindes erkennen lassen. Der Säugling versucht ab diesem Zeitpunkt
der plötzlichen Erkenntnis immer wieder Beziehungen herzustellen
sowohl zwischen den vom Bild aufgenommenen Bewegungen und der gespiegelten
Umgebung, als auch zwischen dem ganzen virtuellen Komplex und der Realität
vor dem Spiegel. Der Spiegel verdoppelt diese, bildet eine Repräsentationsfläche
für die Welt des Säuglings, die primär aus dem eigenen
Körper, im weiteren aus anderen Personen und Objekten besteht. Daß
die Realität im Spiegel eine andere ist als die davor, daß
die Verdopplung keine reine, sondern eine asymmetrische ist,
wird noch deutlich werden. Dieses Schauspiel wiederholt sich fortan. Der
hilflose Säugling, gehalten von Apparaten, Stützen oder Personen,
sieht sein Bild, versucht aus den Fesseln seiner Umgebung auszusteigen
und bringt den Körper in eine reale labile Position, aus der heraus
er im Fallen einen momentanen Aspekt des Bildes »erhaschen und fixieren«
will.6 Lacan interpretiert diese Geschäftigkeit,
die auf den Moment der Aufmerksamkeit folgt, als jubilatorisch, sie trage
deutliche Zeichen des Triumphes.7
III. Der Vorspiegel
Zur Klärung
dessen, was sich hier manifestiert, zunächst ein Blick auf den Säugling,
bevor er sich im Spiegel erkennt — von Lacan unter dem Titel Komplex
der Entwöhnung beschrieben. Grundlagen bilden biologischanthropologische
Annahmen : Portman, der den Menschen als zu früh geboren versteht,
bezogen auf die »anatomische Unfertigkeit des Bewegungsapparates
und die späte Entwicklung der Körperproportionen«8
und von spezifisch menschlicher Frühgeburt spricht; Bolk, der die
menschliche Entwicklung retardiert nennt : »Gewisse Organbesonderheiten,
wie das lückenlose Gebiß, die fünfgliedrige Hand können
im Rahmen der Entwicklungsgeschichte als so archaisch angesehen werden,
daß sie nur als Ausgangspunkt von Spezialisierungen zu verstehen
sind«9 Was heißen soll, daß
gerade weil der Mensch nicht fertig in die Welt geboren wird,
er weniger determiniert ist, er größere Freiheiten
hinsichtlich seiner Weltgestaltung besitzt. Unterstützt wird die
These von der Unfertigkeit des Menschen bei der Geburt durch Erscheinungen
wie etwa die Haarlosigkeit, die als »permanent gewordene fötale
Zustände«10 gedeutet werden können.
Der Komplex der Entwöhnung
errichtet seine Bilderwelt um den Vorgang der Ablaktation, das zeitweilige
Aussetzen des Ernährungs-Bedürfnisbezuges des Säuglings
zur Mutter, weshalb diese Bilder sich unter Imago der Mutterbrust
zusammenfassen lassen. Die Bilder der Entwöhnung können jedoch
nur Entstehen als »psychischer Ausdruck einer früheren, schmerzlicheren
und lebenswichtigeren Entwöhnung, jene verfrühte Trennung, die
das Kind bei der Geburt von der Gebärmutter löst und eine Not
erzeugt, die keine mütterliche Sorge ausgleichen kann«11
Somit ist der postnatale Zustand, der gekennzeichnet ist von Hilflosigkeit
und Abhängigkeit, prädestiniert für traumatische Erfahrungen,
»mehr als die Geburt selbst«12
Wenn Lacan von Komplex spricht, so erhebt er einen universalen Gültigkeitsanspruch
für seine Theorie. Komplex definiert sich zum einen durch
die Form, d.h. der Vorgang der Ablaktation findet überall statt und
seine Tatsächlichkeit ist vorgesellschaftlich und überkulturell;
da er aber innerhalb unterschiedlicher sozialer Realitäten stattfindet,
gibt es zum anderen ein unterschiedliches individuelles Erleben, insofern
die Erfahrungen sich als subjektive Bilder, »In-formationen«
formgebend auswirken.13
Beim Menschen ist die Beziehung
zu seinem Körper als Organismus und zur Einpassung in seine Umgebung
ursprünglich gestört. Sie ist gekennzeichnet durch ein »Aufspringen,
eine ursprüngliche Zwietracht, eine Diskordanz« — Ungestimmtheit.14
Die kleinkindlichen Fähigkeiten der Wahrnehmung und Motorik sind
unterentwickelt im Vergleich zu anderen Säugetieren. Durch die Geburt
wird der Mensch einer »völligen vitalen Ohnmacht«15
ausgesetzt. Die Beobachtung des frühkindlichen Verhaltens erlaubt
die »Behauptung, daß Außen-, Eigen- und Innenwahrnehmung
noch lange nach der Geburt nicht hinreichend koordiniert sind«16
Um diese Ohnmacht herum gruppieren sich die Bilder um die Mutterbrust,
die sich in Fortsetzung der Geburt als »Erlebnis-, weil Trennungsobjekt
aufzwingt«17 Dies in drei Gestalten,
die den drei Wahrnehmungsebenen (außen, eigen, innen) entsprechen.
Die Außenwahrnehmung
bezieht sich auf die menschliche Präsenz, die Gegenwart
und Nicht-Gegenwart der Pflegepersonen des Säuglings. »Indessen
sondern sich schon sehr früh bestimmte exterozeptive Empfindungen
sporadisch zu Wahrnehmungseinheiten«18
Die visuelle Funktion ist bei Lacan markiert durch eine Frühreife,
es »zeigt sich von den ersten Tagen an und sogar noch bevor die
motorische Koordination der Augen vollendet«19
ist, eine »Interessereaktion ... die das Kind vor dem menschlichen
Gesicht bekundet«20 Der Säugling
ist auf dieser Ebene umgeben von menschlichen Masken, die sich im Besitz
der Bedürfnis-Befriedigungsmacht befinden. Vielleicht sind sie die
maskenartigen Gesichter, die ständig wechselnden und doch statisch
bleibenden »Fratzen des Einschlafens«, die uns das Leben lang
in den Schlaf begleiten. Es ist das Visuelle, die Erkenntnis einer menschlichen
Gestalt, das primäre Bedeutung erlangt bei der Orientierung des Säuglings
nach außen und das aus der Vielzahl der Personen diejenige mit Mutterfunktion
ausfiltert.
Die Eigenwahrnehmung ist
die eines befriedigten Seins, ihr Bild das oraler Verschmelzung. Die Eigenempfindung
zentriert sich um Saugen und Greifen. Dabei verfügt das Bild der
Verschmelzung durchaus über kannibalistische Züge, »aber
verschmelzender, unsäglicher, aktiver und passiver Kannibalismus
zugleich, der für immer überdauert in den symbolischen Spielen
und Wörtern, die noch in der hochentwickeltsten Liebe ans Begehren
der Larve erinnern«21
Chaotisch gestalten sich
die Innenwahrnehmungen. Angst (vorbildhaft die Atemnot bei der Geburt),
Kälte (bezogen auf die Nacktheit) und Schwindel (insofern es an Gleichgewicht
mangelt) »organisieren in ihrer Dreiheit den qualvollen Charakter
des organischen Lebens, der den besten Beobachtern zufolge die ersten
sechs Monate beim Menschen bestimmt«22
Aus dieser Not geht die pränatale Imago hervor, mit dem Wunsch, das
»Faktum des Getrenntseins«23 von
der Mutter rückgängig machen zu können. Angesichts dieser
Not, die den Tod bedeutet, wenn sie nicht überwunden wird24,
erhält das Innere der Mutter, die vorgeburtliche Existenz utopischen
Charakter für die »Sehnsüchte der Menschheit« :
»Metaphysische Fata Morgana der universalen Harmonie, mystischer
Abgrund der affektiven Verschmelzung, soziale Utopie einer totalitären
Bevormundung, alle Formen des Heimwehs nach einem vor der Geburt verlorenen
Paradies und der dunkelsten Strebungen zum Tod«25
Diesem postnatalen Zustand,
einer Phase existentieller Not, der Prämaturation (Portman) und Fötalisation
(Bolk), gibt Lacan den Sinn von Natur, von natürlichem Sein des Menschen.
Die drei Wahrnehmungsebenen und Erlebniswelten stehen nicht einfach nebeneinander,
sondern zeigen qualitativ unterschiedliche Grade der Fähigkeit des
Säuglings, sich in seiner Umgebung zu orientieren. So ist die Ebene
der Innenempfindung, die des an den Tod gemahnenden Leidens, eine Utopie
in der Vergangenheit, die intrauterinäre Existenz sucht; die Ebene
der Eigenempfindung hingegen die der zeitweisen Wiederherstellung einer
Einheit : gleichsam die Negation der Innenwahrnehmung und eher mit einem
Schlafzustand assoziiert. Die vorgezogene visuelle Reifung auf der dritten
Ebene läßt für das Kind im Wachzustand Masken und Gestalten
erscheinen und ermöglicht eine erste Trennung von der Umgebung.26
Tod, Schlaf, (Wach)Traum
stellen die Stationen der Vorspiegelphase dar. Das Leben will : »Sterben,
Schlafen — Schlafen, Träumen vielleicht«27
IV. Das Drama
2
Zum Ende
dieser ersten sechs Lebensmonate, die von Not, Ohnmacht und Hilflosigkeit
geprägt waren, zum Ausklang der Entwöhnung setzt die Spiegelphase
ein — ermöglicht durch und in Fortsetzung der frühzeitigen
Reifung visueller Funktion. Das menschliche Subjekt, dessen ganzes Streben
angesichts der frühen Not auf »die Wiederherstellung der verlorenen
Einheit seiner selbst«28 gerichtet ist,
findet diese — illusorisch — in seinem Spiegelbild. Das Kind
vor dem Spiegel ist so hilflos wie zuvor, aber »der bloße
Anblick der vollständigen Form des menschlichen Körpers verschafft
dem Subjekt eine imaginäre Beherrschung, die gegenüber der realen
verfrüht ist«29. Der Säugling
nimmt die triumphierende Setzung eines Ideal-Ich, eines Ich überhaupt,
vor. Die Gestalt im Spiegel enthält das emanzipatorische Versprechen,
der frühen, existentiellen Not entkommen zu können. Die menschliche
Natur, die Lacan als dieses hilflose Sein bestimmt hatte, entfremdet sich
in ein imaginäres Ich. Das Subjekt findet seine Rettung an anderem
Ort, es spaltet sich in ein Ideal-Ich (Moi), das die Gestalt im Spiegel
ist, und ein Subjekt des Seins (Je) der realen Ohnmacht vor dem Spiegel.
»So wäre diese ursprüngliche Unstimmigkeit zwischen dem
Ich und dem Sein die Grund-Note, die widerhallen würde in einer ganzen
harmonischen Tonleiter durch die Phasen der psychischen Geschichte hindurch«30
Visuell und nach außen verlagert ist das Ich bei Lacan »das
virtuelle Subjekt ... das heißt, der andere, der wir sind, dort,
wo wir zuerst unser Ego gesehen haben, außerhalb von uns in der
menschlichen Gestalt. Diese Gestalt ist außerhalb von uns ... als
eine, die fundamental an die ursprüngliche Ohnmacht gebunden ist.
Das Menschenwesen sieht, seine Gestalt realisiert, vollkommen, die Spiegelung
seiner selbst, nur außerhalb seiner selbst« 31
Durch diesen Akt der Selbstsetzung
eines Ich, eines antizipierenden Sprunges ins anderswo und noch
nicht, entsteht ein unaufhebbarer Riß im Menschen. »In
einer ursprünglichen Entfremdung situiert sich das Ich auf einer
fiktiven Linie, welche das Individuum nie mehr wird auslöschen können«32
Das menschliche Individuum ist so immer schon ein Dividuum, das seine
durch den Spiegel getrennten Teile nicht mehr zur Deckung bringen kann.
Der französische Begriff für Entfremdung verdeutlicht das Geschehen
vielleicht besser : Alienation — Geburt eines anderen.
Dieses andere (Ich) ist
zunächst »ein besonderes Objekt innerhalb der Erfahrung des
Subjekts. Das Ich ist buchstäblich ein Objekt, eines, das eine bestimmte
Funktion ausfüllt, die wir hier imaginäre Funktion nennen«33
Hier liegt Herrschaftsfunktion vor, Beherrschung des Körpers mit
der Aufgabe, das Subjekt über sein wahres Sein zu täuschen,
ihm Idealität zu repräsentieren, die jubilatorisch begrüßt
wird. »Wo das Individuum aus seinem eigenen Bild im Spiegel, aus
sich selbst, eine triumphale Übung macht«34,
findet ein antizipiertes Ergreifen der Herrschaft über sich selbst
statt. Sie ist jedoch trügerisch und das Bild ein Trugbild. Die Erkenntnis
des Ich im Spiegel gerät, über den Prozeß der Identifikation
mit dem Bild, in dem das Subjekt die Kluft übergehen will, zu einem
Verkennen der realen Hilflosigkeit. Und so stellt sich das Spiegelstadium
als ein »Drama dar, dessen innere Spannung von der Unzulänglichkeit
auf die Antizipation überspringt und für das an der lockenden
Täuschung der räumlichen Identifikation festgehaltene Subjekt
die Phantasmen ausheckt, die, ausgehend von einem zerstückelten Bild
des Körpers, in einer Form enden, die wir in ihrer Ganzheit eine
orthopädische nennen könnten, und in einem Panzer, der aufgenommen
wird von einer wahnhaften Identität, deren starre Strukturen die
ganze mentale Entwicklung des Subjekts bestimmen werden«35
Diese Spannung des Dramas
ist letztlich nicht aufhebbar. Denn auch, wenn »der Vorgang der
physiologischen Reifung es dem Subjekt in einem bestimmten Augenblick
seiner Geschichte erlaubt, seine motorischen Funktionen wirklich zu integrieren«36,
ist doch »das Bild des Körpers, das das Prinzip jeder Einheit
ist, als solches nicht erreichbar«37
Eine Einheit, Ganzheit, Totalität wäre zutiefst unmenschlich
: »Haben Sie schon mal totale Wesen getroffen ? Das ist vielleicht
ein Ideal. Ich habe noch nie eins gesehen. Ich bin nicht total. Sie auch
nicht. Wenn man total wäre, dann wäre jeder seinerseits total,
dann wäre man nicht da, gemeinsam, um zu versuchen, sich zu organisieren,
wie man sagt«38 Gerade in dem Riß,
in der Nicht-Übereinstimmung von Ich und Sein liegt die »winzige
Schneide der Freiheit«39 des Menschen,
seine Offenheit. Jede Leugnung der Spannung käme Selbstopferung gleich.
»Jede Auflösung dieser Unstimmigkeit durch eine illusorische
Übereinstimmung der Realität mit dem Ideal würde nachhallen
bis auf den Grund des imaginären Knotens der narzißtischen
suizidären Aggression«40
Das zerstückelte Bild
des Körpers — »für das Subjekt ein wesentlich zergliederbares
Bild des Körpers«41 — und
das der wahnhaften Identität, stellen imaginäre Produktionen
dar. Es ist »das ursprüngliche Abenteuer, in dem der Mensch
zum erstenmal die Erfahrung macht, daß er sich sieht, reflektiert
und sich als anders begreift als er ist — die wesentliche Dimension
des Menschlichen, die sein ganzes Phantasieleben strukturiert« 42
Die eine Phantasie, die
der Identität, ist eine progressiv antizipierende, zeitlich zukünftig
orientiert, in einem Außen situiert, die andere, die des zerstückelten
Körpers, der in Träumen und Halluzinationen wiederkehrt, ist
rückwärts, auf die Zeit der Not orientiert und findet ihr Vorbild
im Inneren Erleben, einer überwunden geglaubten Hilflosigkeit.
Zusammen bilden sie einen
ausweglosen Kreislauf von Faszination und Aggressivität. Fasziniert
von der vorgestellten Idealität, der Form und Gestalt des Leibes,
setzt jede Bedrohung dieser phantasierten Einheit Aggressivität gegen
die unvollkommene Lebendigkeit und Leiblichkeit frei. Dies ist das Problem
des Narkissos über der Quelle.
***
Salmoxisbote Nr. 9 wird enthalten alle Anmerkungen und
die Kapitel
V. Das Spiegelstadium - der Mythos
VI. Das Drama 3
VII. Die Dimensionen des Tragischen
|