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Sie lesen nicht, sie schreiben
nicht
aber Bücher klauen sie doch :
deutsche Professoren
96 Thesen wider das deutsche Professorentum
von einem Diener der Verdauung
& Freund des Janitarmuskels
These I
Wer nicht
Proktologe und von der Pike auf am Max-Planck-Institut gelernt hat, soll
nicht Professor heißen.
Der Unterschied zwischen einem Professor
und einem Proktologen ist praktisch der zwischen Katheder und Katheter.
Während der Vorlesung steht der Professor
salopp am Lesepult. Wenn es über ihn kommt, post er ein unglaubliches,
übermenschliches Gefälle von Leichtigkeit und Schwere. Wie von
selbst blättert er dann in seinen Notizen und je mehr und je leichter
er das tut, desto umgekehrt proportionaler legt er Zeugnis ab von der
Gravität seiner Gedanken. Daheim aber flezt er sich im fridericianischen
Fauteuil, schlägt die Beine übereinander, feuchtet den Daumen
und blättert gelangweilt im frischgefaxten Nikkei-Index. Seinen Armani
wählt er stets so, daß er sich nicht groß umkleiden muß.
Der Proktologe sitzt härenen Gewandes
gramgebeugt am Schreibtisch und spricht zu leidgeprüften Patienten
rücksichtsvoll Wahrheit — wenn er nicht grad hinter ihnen kniet
und rücksichtsvoll Wahrheit spricht. Seine einzige Lektüre sind
die Termine in der lokalen Tageszeitung. Er muß wissen,
welchem Kollegen er heute die Notbereitschaft abbettelt. Und wenn die
polnische Reinemacherfrau frühmorgens vor Schichtbeginn einmal den
Talmischatten durch das Milchglas des Sprechzimmers einen Seufzer ausstoßen
hört, dann ist sie nicht beunruhigt : denn sie weiß, daß
sie einen Seufzer der Erleichterung vernahm, die Ungewißheit ein
Ende hat und niemand mehr ihrem Chef das Gebet um Notdienst abschlagen
kann : der Proktologe fand seinen eigenen Namen von der Ärztekammer
vorgesehen.
Die am häufigsten vorkommende Sorte
Professor bekleidet neben Sitzen in öffentlich-rechtlichen Gremien
und einer Unzahl Aufsichtsratsposten noch ein Ehrenordinariat für
Durchtriebenheit. Dann tut sie im Seminar mit gewinnendem Lächeln,
als säß sie gern da, wo´s Studentlein sitzt. Das sitzt
nämlich auf harten Bänken und an zerkratzten Tischen, auf Filzfußböden,
bollernden Heizungen und reibt sich Arsch und Ellbogen wund — und
es tut das nicht gern. Sie aber tut sich dicke mit den frisch Eingeschriebenen
und verzählt ihnen vom harten Schwarzbrot der Wissenschaft, das sie
die nächsten Jahre zu kauen hätten und daß sie ihnen alles
beibringen und sie fit machen würde für die akademische Laufbahn.
Im Kreis ihrer Lieben aber rapportiert sie sogleich üble Erstsemesterwitze,
hält sich den Bauch, schlägt sich auf eigene Schenkel und greift
zwischen fremde, kurz, feiert wahre Saturnalien, ja, zweimal im Jahr darf
auch das honduranische Dienstpersonal frohlocken, denn der Professor macht
sich mit ihm mehr als gemein, er selbst erlaubt nicht nur, daß es
nippt vom perversen Laudanum-Peyote-Cocktail, den es anläßlich
der rituellen Erstsemesterverhöhnung erst hat mixen, dann in einen
kostbaren Louisseize-Kristallkelch hat gießen müssen, er reicht
ihn ihm auch noch und salbt Füße und Schenkel und tut mehr
als das.
Jeder Proktologe spräche mit höchstem
Respekt vom Mut der Jugend, sich heutzutage noch dem Geschäft mit
dem Ende des Stoffwechsels zu verschreiben, wo jede Professur für
strukturelle Linguistik leichter zu haben und höher dotiert ist —
fänd er nur Zeit, neben rücksichtsvoller Wahrheit noch Worte
der Ermunterung zu sprechen.
Alle Professoren sind entweder weitsichtig
oder normalsichtig, weil sie entweder viel in fernen Ländern urlauben
und dort viel in die Ferne gucken oder aber sonstwie einfach gar nichts
machen. Sie jedoch sagen, sie seien kurzsichtig. Wegen des vielen Lesens.
Und zu schlechten Lichts. Das klingt besser und nach Berufskrankheit.
Professoren tragen ausnahmslos Brillen, denn sie meinen, das sähe
besser aus. Entweder jämmerliche Kassengestelle oder solche für
1200 DM, die aber aussehen wie jämmerliche Kassengestelle. Der Stand
der Proktologen ist darauf angewiesen, nichts zuzahlen zu müssen,
blanke ehrbare erbarmungswürdige Not sitzt ihm auf der Nase und ist
behilflich beim Studium der Sparte Termine. Trifft ein Professor
auf dem Weg ins Ritz einen Proktologen und spielt mit der Anschaffung
eines Louisquinze-Monokels, ruft der ihn launig und voll Häme : He,
Fielmann, was machen die Augen, und der Proktologe senkt beschämt,
doch ungebeugten Herzens den kurzsichtigen Kopf.
Nun sind Professoren zwar gern auf dem Weg
ins Waldorf-Astoria und kaufen sich auch gern mal ein Louisquinze-Binokel,
aber zum Glück für den Proktologen reden sie nicht mit Proktologen,
weil sie gleich denken, alle Welt dächte, sie hätten was. So
verdreht denken Professoren. Auch auf den Champs-Elysées.
Aus den Jahrbüchern des sozialen
Fehlverhaltens, herausgegeben vom Bundesamt für Statistik
und Retusche, ist ein Fall bekannt, in dem einem Proktologen von
einer Erbtante, einer verwirrten Professorenwitwe, ein Lorgnon hinterlassen
wurde. Der brave Mann trugs zum Antikhändler, spendete den Erlös
der Äthiopien-Hungerhilfe und zwei Tage später sah ein Garderobenstudentlein
einen Professor damit im Lohengrin sich brüsten kein Clarlux,
nicht von Zeiss, ist auch normal. Wie nennen wir das ? Gut, daß
der schlichtgemütige Proktologe wahrscheinlich nie davon erfahren
wird.
Die Seminararbeiten, die ein Professor geschrieben
hat, als er noch Studentlein war, hat er Kommilitonen, die entweder überraschend
verstorben waren oder aber alsbald ihr Studium wegen intellektueller Unterforderung
oder sportlicher Ambitionen oder aber des veredelnden Interesses an der
Proktologie abbrachen, entweder abgeguckt oder gestohlen. Hatte er seine
Brille verlegt, gab er auch Geld. Es ist traurig, aber es ist wahr. Neuerdings
kupfern sie alles im Internet ab.
Professoren sterben nicht. Sie gehen ein
in die Geistesgeschichte und die absolute Identität. Dort plaudern
sie mit den Geistern, deren Felder sie beackerten. Herodot, Hölderlin,
Heisenberg — Helmholtz lehnen sie ab, der besteht nur aus zwei Silben
(siehe These XXXII). Proktologen sterben. Oft allzu früh. An Skorbut
und Streß. Sie werden in Kalkgruben bestattet und sind fest eingeschrieben
im Gedächtnis der Völker und aller sonstigen Aufrechten. Mozart
zum Beispiel war nie Professor. Er war Gesinnungsproktologe, wie aus den
Bäsle-Briefen hervorgeht. Und noch heute singen Menschen seine Lieder.
Wer aber kennt heute noch die Herren Professoren Gunkel, Echterstein und
Zielsdorf-Traubrett ?
Die Welt ist vernünftig eingerichtet,
altem Professorenglauben zum Trotz. Was die Menschheit nicht nötig
hat, ist ein Proktologenkalender. Darum gibt es auch keinen — jeder
Bürger kennt den Proktologen seines Vertrauens, der gleich um die
Ecke praktiziert. Was die Menschheit aber nötig hat, gibt es sogar
: den deutschen Gelehrtenkalender — ihr zur Warnung. Denn kein Mensch
weiß, wo der nächste Professor wohnt und welch irre Lehre er
lehrt. Jeder könnte es sein. Denn Professoren sind verschlagen. Und
wenn sie nicht protzen, dann tarnen sie sich. Einige tragen sogar Kontaktlinsen.
Der Professor liest aus seinen alten Seminararbeiten
von Dienstag bis Donnerstag. Hat er allerdings Donnerstagmittag in der
Luxusmeile einen Louisquatorze ergattert und ist dieser Dienstagmittag
restauriert vom Ökohof zurück, dann steht das Studentlein nach
der Mensaspeisung enttäuscht vorm leeren Podium und hört keine
Predigt davon, wie lecker und bekömmlich denn Stilles Wasser ist.
Was er neben vielem noch nicht weiß, ist, daß der Professor
einsitzt und teure Liköre trinkt und Aquavit und Speiseaufzüge
hat, Durchreichen und kolumbianisches Dienstpersonal, das ihm alle Sexwünsche
und seine Gier nach Koks von den schwammigen Augen und ihrem gedunsenen
Blick abliest. Am Mittwoch aber, wenn er nicht allzu verkatert ist, ist
der Professor wieder der Alte, spricht voller Elan von der Vergänglichkeit
der Freuden, speziell der am irdischen Besitz, und empfiehlt billige Reclambändchen,
die er selbst noch unter seinem Namen hat benachworten lassen. Währenddessen
staubt zuhaus sein equadorianisches Personal die guten historisch-kritischen
Gesamtausgaben ab und wartet darauf, ihm wieder intravenös eine Spritze
setzen zu dürfen. Seine Nase ist ständig gerötet vor klugen
Gedanken und Schnee.
Der Proktologe kennt keine wirkliche Pause.
Von Teneriffa und den Jungfraueninseln weiß er nur aus dem studium
generale. Auch lehnt er den Gebrauch von Gesamtausgaben und Drogen
ab, weiß er doch um die verhängnisvolle Wechselwirkung mit
dem Magen-Darm-Trakt. Er ist vierundzwanzig (in Zahlen : 24) Stunden für
seine Klientel da, notfalls auch ohne Voranmeldung. Und er empfiehlt zur
begleitenden Lektüre nur das Beste, die guten teuren Fachbücher
aus dem Springerverlag Berlin/New York, egal, wer seiner geschätzten
Collegas nun gerade Vor- oder Nachwort zeichnet. Wichtigstes hektographieren
sie auf eigene Kosten und verteilens an Patienten und auf Wochenmärkten.
Gewöhnlich heilen sie schon, wenn um 4 Uhr früh der Markt beginnt,
so daß sies nicht selbst tun können : dann stellen sie einen
Lausbub aus der Nachbarschaft an und entlohnen den Racker mit einer alten
Bon-Jovi oder der neuen Maxi von TicTacToe und schaffen Kinderarbeitsplätze.
Proktologen sind kein Pack und haben Teamgeist. Zum Duschen gönnen
sie sich Cliff. Ihre Nasen sind gerötet, weil sie mit Heizung knapsen
müssen und sie in klimatisch unverwöhnten Gegenden niedergelassen
sind, wo die Not am größten ist.
Wer über klassischen deutschen Idealismus,
Identität und Nichtidentität, Ich, Nicht-Ich und mich und darüber,
warum überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts, nachzudenken
vorgibt, darf kein Professor sein. Ausnahme : Enddarmspezialisten, die
aus stimmungsschwankungbedingtem Überdruß, der alle redlichen
Menschen wohl mal befällt, über Bestand, Verlauf und Eschatologie
des Daseins sinnen. Wer von Hermeneutik, normativer Kraft und Intelligibilität
spricht, hat nicht gedient und darf nicht Professor heißen. Wer
aber vom hermeneutischen Zirkel, generativer Transformationsgrammatik
und signifikanten Zusammenhängen spricht, ist Söldner in der
Armee der Entropie und darf erst recht nicht Professor heißen. Am
bösartigsten und verderbtesten aber sind die, die Prolegomena zu
den Prolegomena lesen. Jeder Proktologe war mindestens einfacher Sanitäter
bei den Truppen und bereit, seine künftigen Patienten mit der Waffe
in der Hand zu verteidigen. Und das ist er heute noch. Proktologen sind
wehrhafte Demokraten. Professoren hingegen sind Warmduscher. Sie schwadronieren
Pazifismus und scheuen memmenhaft jede Waffe, es sei denn rechtdosiertes
Gift.
Sogenannte Professoren halten einen ganzen
Troß armer Studentlein für niedere Tätigkeiten in Abhängigkeit,
als da sind Tafelwischen, Thesenpapierherumreichen, Protokollführen
ohne qualifizierten Schein, Kreideholen, Schuheputzen, bedienen von Overhead-Projektoren,
Bücherholen. Sie haben sich auch selbst einen Namen für solche
ausgedacht und schimpfen sie : Tutoren. Proktologen beschäftigen
maximal zwei polnische Sprechstundenhilfen. Und die ernähren sie
richtiggehend mit mindestens Tariflohn. Zu Ostern verstecken sie höchstens
eine Tube Erdal in der Praxis. Oder ein Muster ohne Wert.
Wer heut deutsche Lehrstühle besitzt,
betreibt nur schlechte Geschichte der Gedanken, die durchaus honorige
Generationen vor ihm gedacht haben. Proktologen sind von berufswegen originelle,
selbständige Denker und Täter. Ein Proktologe in Bonn kommt
ohne tiefe Kenntnis des Gotischen nicht weit. In Bremen hingegen genügt
es für ein Ordinariat, Harry Böll gelesen zu haben.
Viele Professoren zermartern sich das Hirn
und werden von entsetzlichen Gewissensqualen heimgesucht : sollen sie
in ihrer spanische Finca oder auf ihrem dänischen Bauernhof die vorlesungsfreie
Zeit verbringen, und : sollen sie den Benz wählen oder den Saab ?
Kein Mastdarmkundler je bringt es zu mehr als zu einem Schrebergarten
mit Laube und vielleicht einer eigenen Grabstätte, günstigstenfalls,
und einem, allerdings von Lebensart zeugenden, charmanten Citroën.
Wichtigstes Körperteil des Professors
ist der Zeigefinger und seine Verlängerung, der Rohrstock. Jähzorn
ist im Professor mit Paranoia gepaart. Er hat keine Freunde, nur Kollegen
und Verräter und ist umgeben von kriminellen Journalisten, die sich
einen Namen machen und ihm ans Bein pinkeln wollen, indem sie Machenschaften
am Erbhof-Institut aufzudecken trachten und dafür sogar so weit gehen,
Studentlein, daß die auspacken, Taschenbücher zu spendieren
an den Campus-Büchertischen. So in nervenaufreibende Abwehrkämpfe
verwickelt, benötigt der Professor dringend einen Ausgleichssport.
In jüngster Zeit hat das Keilen slawischer Partneruniversitäten
Shetlandponypolo als beliebtesten Sport abgelöst — kann sein,
weil es mehr die Note ehrgeizig liberalen Wettbewerb-Wollens, die in einer
Professorenseele gewaltig klingt, betont. Zwanglos verknüpfen sich
mit Osteuropa Exkursionen und Studienreisen zu verstaubten Orten, in denen
seltsamste Krankheiten grassieren. In Sîntionlunca werden dann mit
Vorliebe Austauschschülerinnen und Einheimische geschwängert
und anschließend zur Abtreibung gezwungen. Visa — die Freiheit
nimmt er sich. Denn letztinstanzlich geht es dem Professor bei allem um
die Freiheit der Forschung und des Westens, auch wenn er beides durchaus
kritisch sieht.
Der Sport, den der Proktologe ausübt,
ist ein in Dorfkrügen vierteljährlich stattfindendes Doppelkopfspielen
mit alten Weggefährten. Jeweils zu einer neuen Auflage setzt ein
ausgelassenes gedächtnisakrobatisches Pschyrembel-Raten ein, bei
dem auswendig Neuerungen abgeglichen werden. Spätestens um 0.30 ist
aber Schluß mit lustig. Auch ein ausgewachsener Proktologe braucht
seinen knappen unruhigen Schlaf.
Es sind nur zwei Wege, Professoren zu demütigen
: man beschneidet ihnen die Wegepauschale oder gibt ihnen ihre extrem
unverkäufliche Habilitationsschrift, die sie einem generös geschenkt
haben, gelesen zurück. Ein Proktologe ist nur verletzbar, wenn kein
Wort der Anerkennung oder des verschämten Dankes nach spontan vollzogener
Heilung gesprochen wird oder indem man abfällige Bemerkungen über
seine polnischen Sprechstundenfräulein tuschelt.
Auch der Stoff gekaufter und geklauter Seminararbeiten
geht irgendwann aus und einmal merkt auch das letzte zwischenprüfungsscheue
Studentlein, wie sich der Stoff im olympischen Rhythmus wiederholt. Darum
haben Professoren eine reiche Bibliothek, dicke Wälzer und ganze
Stapel Sonderdrucke, die vom honduranischen Dienstpersonal sorgsam gehütet
werden in der Zeit zwischen Beischlaf und Applikation der täglichen
Medikamentenabgabe. Allerdings haben sie keines ihrer Bücher
gelesen, geschweige denn geschrieben. Zum Lesen halten sie sich in Käfigen,
genannt Studentenheim, ihre Studierenden und zum Schreiben ihre wissenschaftlichen
Mitarbeiter. Wer Doktorvater ist, hat ungehinderten Zugriff auf die geistigen
Kinder überlegener Köpfe und hält Blütenlese aus deren
schönsten Gedanken.
Jeder Proktologe schreibt zumindest die
Unterschriften auf seinen Rechnungen, die er, Gott seis geklagt, stellen
muß, selbst.
Die besseren der Professoren sind nur faul,
hartherzig und herrschsüchtig. Wenn die Indiofamilie daheim im Wald
ein neues Dach gegen den Regen braucht, verdient sich das guayanische
Dienstpersonal was dazu und geht Blutspenden. Wer bereitet dann dem Professor
ein schmackhaftes, gesundes und stilvolles Frühstück ? Zum Berufsbild
des Professors gehört, daß er nicht auf den Kopf gefallen ist
— also lädt er zum Brunch und nennt es Frühstücksseminar.
Seinen Dünkel nur mühsam verbergend, zwingt er seine Studentlein,
Raffaellos und käseüberbackene Croissants mitzubringen, die
er für pariser Chic hält, und prahlt, er sei nicht menschenscheu,
ginge auch auf Flohmärkte und schaffe sich dort sehr wohl Zuckerzangen
und sonstiges ausgefallenes Tafelgerät an. Den Kaffee hingegen, den
er immerhin anzubieten sich bemüßigt fühlt, brüht
er perennierend dünn und kreislaufabregend. Die Sparsamkeit des deutschen
Professors ist so legendär wie die Schwierigkeit seiner wirtschaftlichen
Lage. Der Proktologe bringt selbstgeschmierte Stullen in Butterbrotpapier
gewickelt und schwachgezuckerten Pfefferminztee in einer verbeulten Thermoskanne
mit in die Praxis. Trotz daß die Zuckerpreise mächtig anziehn,
beschenkt er selbst Kleinkinder im Schweiße seines Angesichts mit
gesunden Nimmzweis.
Des Professors Traum ist es, eine Gesellschaftsordnung
zu schaffen, in der er Bowler tragen und Zecken mit religiöser Begabung,
die auf Geheiß von ihm lassen, züchten kann. Immer diniert
er im Professorencasino und bespricht das Problem mit Gleichgesinnten.
Eine Viertelstunde vorher tat er, was er fünfzehn Minuten nachher
tun wird : er versucht den Gleichgesinnten nicht nur eins, sondern alles
auszuwischen. Der Traum des Proktologen ist der geregelte, gesunde Stuhl
für alle, ohne Zulassungsbeschränkung. Während der integre
Proktologe zwar universell gebildet ist, aber nur einen einfachen Nachnamen
hat und seinen Viala mit Wasser mischen muß, hat die renommierte
Soziologieprofessorin keine Ahnung, einen Doppelnamen und trinkt sich
einen Wein, dessen Namen der Proktologe noch nicht einmal schreiben kann.
Auch sich nicht leisten, aber wohl schreiben, kann der gemeine Proktologe,
was Professorinnen gerne tragen : Stehkragensweatshirts, auf deren Stehkragen
JIL SANDER steht. Jeder Proktologe, der zwischen zwei Patientengesprächen
BOSS oder HUGO nachlegte, verlöre umgehend via Hartmannbund und Ärztekammer
seine Lizenz zum Heilen. Und hat man davon je gehört, daß jemand
seiner venia legendi verlustig gegangen wäre ? Woran das wohl liegt
? Bei Lehr- und Heilbefugnis wird mit zweierlei Maß gemessen.
Sie eilen von Forschungssemester
zu Forschungssemester — das ist ihr wahres Plaisier, das ist das,
was sie wirklich mögen. Und sie haben gutbezahlte Nebenjobs in der
Rüstungsindustrie und lassen sich in ihren Forschungssemestern von
diktatorischen Drittweltländern die Nasen vergolden. So scheint es.
Und so ist es.
Aber es gibt nicht nur Sport und Plaisier.
Es gibt auch noch Hobby. Man hat sogar darüber habilitiert. Vornehmstes
professorales Hobby ist die Gründung von Instituten, deren Dienste
nur die Steuerkanzlei, die der Professor beschäftigt (und vice versa),
in Anspruch nimmt und die Anschaffung veralteter, überteuerter Systeme
und Subsysteme — deren Dienste niemand mehr in Anspruch nehmen kann
— auf Kosten der Steuer, die der Proktologe und die übrigen
anständigen Menschen, die noch eine Olympia zu bedienen wissen, gern
abführen. Von der Dienstreise zurück, sitzt der Professor im
Louisquatorze und schreibt, dieweil ihm das peruanische Dienstpersonal
mit zwei Strohhalmen Koks in die Nüstern bläst, einen Aphorismus
über die Dienstleistungsgesellschaft und deren Schattenseiten, sowie
ein Schock Gutachten für den Transrapid oder andere Transportmittel,
die in Hirohitos Jugend schon ausgedient hatten. Er ist Prozeßhansel
und Prinzipienreiter und singt Gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus,
in Biergärten dann retardiert er vollends, baggert weibliche Studentlein
an, träumt von Alt-Heidelberg, Burschenherrlichkeit und zwingt alle
zur Abtreibung.
Professoren sind tages- und kommunalpolitisch
engagiert und bringen massig gerechte Gesetzesvorlagen für ein besseres
Leben ein. Vornehmlich geht es ihnen dabei um ein geschütztes Autokennzeichen,
CP für Corps professoral, sind sie doch gewissermaßen
Diplomaten des geistigen Arkadiens und hochwohlmögende Glasperlenspieler,
die auch endlich mal was Eigenes haben wollen. Das zehnjährige Jubiläum
des Einmarsches der US-Truppen auf Grenada nehmen sie zum Anlaß,
öffentlich vor Rathäusern gegen die Invasion Stellung zu beziehen,
indem sie ihr Entsetzen kämpferisch in ihre marxistischen Bärte
nuscheln, die sie sich ansonsten so gerne kraulen lassen vom venezolanischen
Dienstpersonal. Im übrigen lesen sie DIE ZEIT und taz und sind linksliberal,
weils nichts kostet, denn es waren Geschenkabo´s eines multiservilen
Studentleins.
Wer Professor ist, hat anscheinend Zeit,
sich nachts in ein Taxi zu setzen und einen anderen Professor zu besuchen,
mit dem intrigante Zweckbündnisse inklusive reservatio mentalis zu
schließen. So fahren sie dahin von Villenviertel zu Villenviertel
und treiben den Kutscher mutwillig zu fahrlässiger Eile an. Derweil
fertigen ihre Gattinnen Übersetzungen der harmlosen Traktätchen
der Ehegesponste in krause Sprachen und Kulturdialekte an, noch mehr Tantiemen
zu kassieren, die dann in der Familie bleiben. Außerdem darf die
Gemahlin in ihrer Freizeit fein Baudelaire übertragen und Staub saugen.
Und wer könnte von sich behaupten, je nachts in einem Taxi einen
Proktologen, außer auf dem Weg zu einem Notruf, angetroffen zu haben
?
Verfügt der Professor, das bolumbianische
Dienstpersonal habe gegen einen Tag frei Kost und Logis das Schlafzimmer
rundumzurenovieren, findet es auf den mattlackierten Fußleisten
Unmengen von Schuppen und Haaren. Professoren nämlich sind häßlich,
haben stets geföhnte, ausgehende, graugefärbte Haupthaare, Schuppenflechte
(sie nennens Psoriasis, aber kennen den Akzent nur falsch) und andere
Gebrechen, weil sie sich unter tausend Augenzeugen nie die Hände
waschen, wenn sie auf Toilette waren. Nicht nur sein Weib und sein Studentlein,
auch die einzelne Hämorrhoide liebt den Professor. Von wegen seiner
sitzenden Tätigkeit. Dabei ertüchtigen sie ihren Körper
und Joggen den lieben langen Tag, d.i. jede freie Minute, die sie nicht
Partneruniversitäten keilen oder Shetlandponys quälen oder Prinzipien
reiten. Offiziell aber tun sie überbestürzt, wenn Turin brennt,
und sie sprechen vom Verlust unersetzlicher Kulturgüter aus dem Frühbarock.
Dabei glauben sie nicht mal an Gott, geschweige denn an das Gute. Hat
man je einen Proktologen gesehen, der sich nicht die Hände gewaschen
hat nach Verrichtung seiner Notdurft ? Hat man je Menschen gesehen, die
so oft und intensiv für die eigene Körperhygiene Sorge getragen
hätten, auch ohne daß sie aktuell ihr Geschäft verrichtet
hätten ? Ja, wohl kein Mensch hat einen solchen Drang zu Plastikhandschuhen
wie der proktologische.
Ein Professor spendet nicht, er unterschreibt
Spendenaufrufe und klagt die Kälte der Gesellschaft und den Wahnsinn
an. Proktologen handeln. Sie knapsen sich 5 Mark für das SOS-Kinderdorf
ab und geben eine Woche nur Salz aufs Margarinebrot statt des abgelaufenen
Streichkäses. Und auch Salz muß nicht sein. Ist ein 67er Burgunder
im Angebot, dann bunkert den Im Namen des Professors sein uruguayisches
Dienstpersonal im Weinkeller. Professoren sind nicht nur mißgünstig,
sondern auch noch mißtrauisch : die Belege lassen sie sich zeigen.
Bei jeder Kontobewegung stehen sie ungläubig vor ihrem Auszug, preisen
die Vorsehung und sagen harr harr. Proktologen lesen ihre monatlichen
Kontoauszüge nicht. Sie vertrauem allem und allen, ihre Meinung ist
: wenn das nicht reicht, was ich tue, dann reicht gar nichts. Und recht
haben sie.
Jeder Proktologe betritt seine Praxis wie
seine Kunden und seine polnische Sprechstundenhilfe durch die Tür.
Niemand weiß wirklich, woher Professoren kommen, wohin sie gehen
und wann sie das alles tun. Es heißt, Professoren betreten die Universität
nur durch Tiefgaragen, die´s Studentlein nur vom Hörensagen
kennt, oder, wenn die Stadt es hergibt, durch rosenumrankte Gartentörchen.
Professoren sind nie da. Wenn sie aber einmal wirklich da sein sollten,
aber nicht da sind, gilt es als sicher, daß sie versuchen, vor Ort
eine ihrer ständig laufenden zehn Bewerbungen auf eine lukrativere
Professur oder ein Städtchen mit rosenumrankten Gartentörchen
zu aktualisieren. Ein Proktologe bleibt, wo er ist. Im Bundesdurchschnitt
besteht die einmal eröffnete proktologische Praxis 15,6 Jahre am
Ort ihrer Gründung. Spätestens dann ist alles gesund, allseits
Vorsorge getroffen und der Proktologe pleite.
Begehrt man eine Note, bedarf es Abstriche
vom eigenen Genie, damit der Professor die bestellte Arbeit auch verstehen
und ausschlachten kann. Geht es aber um eine qualifizierte Auseinandersetzung,
reiche man die Hausarbeit direkt ans chilenische Dienstpersonal. Professoren
haben all ihr selbsttätig erworbenes Wissen aus Kant für
Anfänger und Fischer-Abiturwissen 1974. Das macht,
daß ein Professor immer inkompetent ist. Nie weiß er Antwort
auf eine gezielte Frage, immer lächelt er wie die Sphinx. Beharrlich
unterliegt er in Diskussionen, die ihn überrumpeln, und zieht sich
in Kokons wohlwollenden überlegenen Schweigens zurück. Damit
wähnt er seinen Hals aus der Schlinge. Vorsicht ist geboten, wenn
er Fragekompetenz und Mut des Studentleins lobt. Dann nämlich bereitet
er ein fürchterliches Rollback vor. Hingegen : wie gern disputiert
ein Proktologe mit Patienten, fachsimpelt und respektiert eine zweite
Meinung, eine dritte, vierte. Es ist eine Freude.
Professoren lieben die Schwarz-Weiß-Ästhetik.
Kein Farbphoto je hätte Bestand vor ihrem sensiblen Auge. Zuhause
aber zahlen sie satirisch Rundfunkgebühren, lungern vor einem hochfarbauflösendem
Breitwandbildschirm herum, den sie von der CEBIT mitgebracht haben, und
versuchen, die Fernbedienung zu verstehen. In Programmkinos gehen sie,
wenn um die herum der Heroinhandel blüht und ein Krimi aus der Serie
noir läuft. Der Proktologe heilt noch während der Tagesthemen,
und zur Spätausgabe der Tagesschau schläft er schon einen dürftigen
Schlaf. Einzig manchmal zur ersten halben Stunde Frühstücksfernsehen
geht sein kleiner schadhafter Schwarz-Weißer in Betrieb. Aus Überzeugung
zahlt er Rundfunkgebühren. Tät er das nicht, er könnte
sich ein Waschmittel leisten, das die Flecken aus seinem Kittel entfernt
und Perlweiß. Aber er mag sich zugute halten, daß er nicht
helllichten Tags leere Akkus aus Saabs in Gräben schmeißt,
wie der deutsche Professor zu tun pflegt. Das ist, weil der schäbig,
großspurig und bigott ist. Und rachsüchtig und selbstgefällig.
Das ist er erst recht, wenn er obligat hohle Dedikationen diktiert, seiner
lieben Frau, ohne die ... seinen Kindern, allen ungezählten Ungenannten
... sie wüßten schon wofür ... diversen Initialen, die
eine ausgedehnte polygame Veranlagung kaum verhehlen ... den verehrten
Lehrern, Eltern und der Volkswagenstiftung
Professoren adoptieren viele bunte Kinder
oder haben selbst behinderte. Überzüchtet — lachen
sie. Die Hälfte der bunten Kinder bleibt in ihrer Heimat, aber Schwarzweißphotos
von ihnen tragen sie stets bei sich zwischen den Credit-Cards und unbeholfene
Dankschreiben in Pidgin-Englisch für die erwiesene Schüssel
Reis und die Ausbildung. Des Proktologen Leidensborn : Familie gründen
? ja, nichts lieber als das. Aber dann auch noch durchbringen ? —
unmöglich.
In seinen Gärten setzt der Professor
Terebinthen und versucht hartnäckig, sie zu halten. Der Proktologe
findet trotz allem immer irgendwie noch Zeit, die Topfblume auf seinem
Behördenschreibtisch, den er auf einer Fundbüroauktion günstig
ersteigerte, zu gießen und auf Blattläuse hin zu untersuchen.
Der Professoren dickste Bücher, deren
Schutzumschläge das brasilianische Personal täglich auf Hochglanz
wienert, sind über Dinge, die es nicht gibt : Freiheit, Sumerer,
Teilchen mit Masse 0 & Spin 1 und runde Teebeutel. Professoren lieben
Abstrakta, denen nichts korrespondiert. Viele denken heimlich : hätte
ich damals nur das Max-Planck-Institut besucht und wäre freier Neutrinoforscher
geworden. Sinnlos, Professoren auf ihre Widersprüchlichkeit hinzuweisen.
Sie vergälten es nur mit Verfolgung. Die Dinge, die in den Büchern
der Proktologie stehen, gibt es. Herausragendes Beispiel : Darmzotteln.
Professoren hätten gern weitläufig
studiert. Das als Realität anzuzeigen, sprechen auch die geborenen
Husumer unter ihnen antrainierte abartige süddeutsche Dialekte. Verschärfend
kommt hinzu, daß sie einem Kult der Selbstbeschränkung huldigen.
Sie sagen, sie kennten ihre Grenzen. Dabei kennen sie nicht mal den Konjunktiv
und glauben, sie könnten alles. Das ist widerlich. So widerlich,
wie, daß sie auffallend euphorisiert sind, wenn sie über Heroen
wie Hitler oder Napoleon salbadern. Auffallend unterkühlt sprechen
sie von Memmen wie Mühsam und Mussolini. Proktologen urteilen differenzierter
: schlimme Menschen darunter, und dem Mühsam hat die Festungshaft
arg zugesetzt.
Alles, wo drei drin ist : darauf sind Professoren
scharf. Haben sie was entdeckt (und bis drei zählen können sie),
geben sie prompt Dienstanweisung, ihnen umgehend Gedanken zuzurüsten
und stellen gleich umfangreiche Aufsätze zusammen zu beliebigen Dreischritten
und Triaden sonstiger Art. Hörerscheine stellen sie dafür nicht
aus. Aber Dialektik nennen tun sies.
Die einzige Gemeinsamkeit zwischen Professoren
und Proktologen ist : beide veröden auf ihrem Gebiet.
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