Elf
Bemerkungen von
russischer Übersetzer von Plisch
und Plum
& verdienter Kinderbuchautor Printinpram
/ Ich reite, reite auf dem Pferd /
Fuchs und Hase / Bulldogge und Dackel / Sonderbarer Rauschebart / Kraniche
und Schiffe / Der fröhliche Geiger / Ich habe lang darüber nachgedacht,
wie der Tiger auf die Straße kommt / Es war einmal ein Hund / Vom
Hunde Bububu / Wie Ma?a den Esel zwang, sie in die Stadt mitzunehmen /
Die fröhlichen Zeisige / Die alte Frau, die Tinte kaufen wollte /
Wie Papa mir einen Iltis schoß / Ivan Ivanovic Samowar / Der ungezogene
Korken u.v.a.
des Volkes
I. Sommer 1933
Es gibt Klänge, ziemlich laute sogar,
die sich nur wenig von der Stille unterscheiden. So zum Beispiel habe
ich bemerkt, daß ich von unserer Türklingel nicht aufwache.
Wenn ich im Bett liege, so unterscheidet sich der Klang der Klingel nur
wenig von der Stille. Das geschieht deshalb, weil er Ähnlichkeit
hat mit einer langgestreckten, wurstartigen Form, wie sie das zusammengerollte
Ende der Bettdecke hat, das an meinem Ohr liegt. Alle Dinge um mich herum
legen sich in bestimmten Formen. Aber einige Formen fehlen. So zum Beispiel
fehlen die Formen jener Laute, die Kinder mit ihrem Geschrei und beim
Spielen ausstoßen. Deshalb mag ich keine Kinder.
II. Erster Oktober 1933
Kindern schenken soll man Klingeldraht,
Bindfaden und Stöcke.
III. Herbst 1933
Kinder quälen ist grausam. Aber irgendetwas
muß man doch mit ihnen machen !
IV. Herbst 1933
Ich mag keine Kinder, keine alten Männer,
keine alten Frauen und keine vernünftigen älteren Menschen.
V. Juli 1935
Eines der Grundprinzipien, denen zufolge
sich die Wege der Menschen trennen, ist die Leidenschaft für magere
oder füllige Frauen.
Gut wäre, man würde in öffentlichen
Parks kleine Alleen für stille Spaziergänge anlegen, mit zweisitzigen
Bänken in einem Abstand von 2 Metern voneinander entfernt, wobei
man zwischen den Bänken dichte Büsche pflanzen müßte,
damit derjenige auf der einen Bank nicht sieht, was auf der anderen geschieht.
Auf diesen Alleen sollen folgende Regeln gelten :
1) Der Zutritt zu diesen Alleen ist für
Kinder verboten, sowohl allein als auch in Begleitung der Eltern. 2) Verboten
ist jeglicher Lärm und lautes Reden. 3) Sich zu einem Mann auf die
Bank zu setzen ist nur eine Frau berechtigt, zu einer Frau nur ein Mann.
4) Wenn der auf der Bank Sitzende neben sich auf den freien Sitzplatz
die Hand oder irgendeinen Gegenstand legt, ist sich zu setzen verboten.
Gleichfalls anlegen müßte man
Alleen für einsame Spaziergänge, mit Sesseln für nur eine
Person. Zwischen den Sesseln Büsche. Zutritt für Kinder verboten,
ebenso Lärm und lautes Reden.
Hübsche Frauen gehen nicht in Parks
spazieren.
VI. Zwölfter November 1935
Sonett
Mir
ist einmal etwas ganz Eigenartiges passiert : Ich hatte auf einmal vergessen,
was eher kommt — sieben oder acht.
Ich ging zu den Nachbarn und fragte, was
sie meinten.
Aber wie groß war meine Verwunderung,
als sich plötzlich herausstellte, daß auch sie die Reihenfolge
der Zahlen vergessen hatten. 1, 2, 3, 4, 5 und 6 wußten sie noch,
aber wie weiter, hatten sie vergessen.
Wir gingen zusammen zum Kaufhaus »Gastronom«
in der Snamenskaja, Ecke Bassejnaja, und fragten die Kassiererin. Die
Kassiererin lächelte traurig, nahm ein kleines Hämmerlein aus
dem Mund, zog die Luft durch die Nase ein und sagte : »Meines Erachtens
kommt sieben in dem Fall nach acht, wenn acht nach sieben kommt.«
Erfreut bedankten wir uns bei der Kassiererin
und liefen hinaus. Doch plötzlich, als wir uns die Auskunft der Kassiererin
genauer überlegten, verstummten wir wieder, denn sie kam uns völlig
sinnlos vor.
Was tun ? Wir gingen in den Sommergarten
und fingen an, die Bäume zu zählen. Doch als wir bei sechs angelangt
waren, blieben wir stehen und gerieten in Streit. Nach Ansicht der einen
folgte sieben, nach Ansicht der anderen acht.
Wir würden noch lange gestritten haben,
aber zum Glück fiel ein Kind von der Bank und brach sich beide Kiefer.
Das brachte uns von unserem Streit ab.
Da trennten wir uns und gingen nach Hause
VII. 1936
Aufsatz [Leitartikel]
vRecht hatte
der Kaiser Alexander Vilberdat, der in den Städten einen eigenen
Platz für Kinder und deren Mütter abgrenzte, an dem sich diese
aufzuhalten hatten. Schwangere Weiber wurden ebenfalls dorthingesetzt,
hinter den Zaun, und kränkten fortan nicht mehr mit ihrem widerlichen
Anblick die Augen der friedlichen Bevölkerung.
Der große Kaiser Alexander Vilberdat
verstand das Wesen von Kindern nicht weniger als der flämische Maler
Ternis, er wußte, daß Kinder, bestenfalls, grausame und launische
Greise sind. Zuneigung zu Kindern ist fast dasselbe wie Zuneigung zu Embryos,
und Zuneigung zu Embryos ist fast dasselbe wie Zuneigung zu Exkrementen.
Es ist unvernünftig sich zu brüsten
: »Ich bin ein guter Mensch, weil ich Embryos liebe oder weil ich
mich gern entleere.« Ebenso unvernünftig ist sich zu brüsten
: »Ich bin ein guter Mensch, weil ich Kinder liebe.«
Den großen Kaiser Alexander Vilberdat
ergriff beim Anblick eines Kindes augenblicklich der Brechreiz, aber das
hat ihn nicht im mindesten daran gehindert, ein guter Mensch zu sein.
Ich kannte eine Dame, die immer wieder sagte,
sie sei einverstanden im Pferdestall zu übernachten, im Stall bei
den Schweinen, im Fuchsbau, wo auch immer — nur nicht dort, wo es
nach Kindern riecht. Und in der Tat, das ist der ekelhafteste Geruch,
ich würde sogar sagen : der beleidigendste.
Für einen erwachsenen Menschen ist
die Anwesenheit von Kindern beleidigend. Und so galt, zu Zeiten des großen
Kaisers Alexander Vilberdat, einem erwachsenen Menschen ein Kind zu zeigen
als höchste Beleidigung. Das wurde für schlimmer angesehen,
als einem Menschen ins Gesicht zu spucken und ihm dabei sagen wir, auch
noch ins Nasenloch zu treffen. Für die »Beleidigung mit einem
Kind« wurden blutige Duelle ausgefochten.
VIII. Dreizehnter November
1937
Ich gehe zur Sitzung der Sektion Kinderliteratur.
Ich bin überzeugt, daß man mir Hilfe verweigern und mich aus
dem Verband werfen wird.
IX. Zwölfter Oktober
1938
Ich werde Kapuzineraffe genannt. Dafür
werde ich jedem, wie er´s verdient, die Ohren abreißen, aber
einstweilen läßt mir der Ruhm von Jean-Jacques Rousseau keine
Ruhe. Warum hat Rousseau alles gewußt ? Wie man Kinder windelt und
wie man Fräuleins verheiratet ! So gut möchte ich auch alles
wissen. Ich weiß zwar schon alles, nur bin ich mir meines Wissens
nicht sicher. Was Kinder angeht, so weiß ich genau, daß man
sie nicht windeln, sondern vernichten sollte. Zu diesem Zweck würde
ich in der Stadt eine Zentralgrube ausheben und die Kinder in diese Grube
hineinwerfen. Damit aus der Grube kein Verwesungsgestank dringt, könnte
man einmal die Woche ungelöschten Kalk drüberschütten.
Auch alle Deutschen Schäferhunde würde ich in diese Grube stoßen.
Und nun, wie man Fräuleins verheiratet. Das ist meines Erachtens
noch einfacher. Ich würde einen öffentlichen Saal einrichten,
wo sich die ganze Jugend, sagen wir einmal im Monat, trifft. Alle im Alter
von siebzehn bis fünfunddreißig ziehen sich nackt aus und gehen
im Saal auf und ab. Wenn zwei sich gefallen, treten sie zusammen in eine
Ecke und betrachten sich dort nun schon näher. Ich vergaß zu
sagen, daß jeder ein Schild mit seinem Vornamen, Nachnamen und seiner
Adresse um den Hals tragen muß. So kann man dann dem, an dem man
Geschmack gefunden hat, schreiben, um engere Bekanntschaft zu knüpfen.
Wenn sich in diese Angelegenheiten ein alter Mann oder eine alte Frau
einmischt, empfehle ich, sie mit der Axt zu erschlagen und dorthin zu
schaffen, wohin auch die Kinder gehören, in die Zentralgrube.
Gern würde ich das in mir ruhende Wissen
weiter darlegen, aber leider muß ich Machorka kaufen. Wenn ich auf
die Straße gehe, habe ich immer einen dicken knorrigen Stock bei
mir. Ich nehme ihn mit, um die Kinder, die mir vor die Füße
geraten, zu verprügeln. Womöglich werde ich deshalb Kapuzineraffe
genannt ? Aber wartet, verdammte Bande, ich reiße euch die Ohren
ab !
X. Ende Mai / Anfang Juni
1939
Draußen
das verdammte Geschrei der Kinder. Ich liege und male mir Strafen für
Kinder aus. Am besten gefällt mir, ihnen einen Starrkrampf anhexen,
daß sie sich mit einem Schlag nicht mehr rühren können.
Die Eltern tragen sie nach Hause. Sie liegen in ihren Bettchen und können
nicht mal mehr essen, weil sie den Mund nicht aufbekommen. Sie werden
künstlich ernährt. Nach einer Woche hört der Starrkrampf
auf, doch die Kinder sind so matt, daß sie noch einen ganzen Monat
im Bett bleiben müssen. Dann genesen sie nach und nach, aber ich
hexe ihnen einen zweiten Starrkrampf an, und da verrecken sie alle.
XI. Ende Mai / Anfang Juni
1939
»Was
halten Sie von Leichen ?« frage ich Sakerdon Michailowitsch.
»Nichts«, sagt Sakerdon Michailowitsch.
»Mir graut vor ihnen.«
»Ja, ich kann Leichen auch nicht ausstehen«,
sage ich. »Käme mir eine Leiche unter, ohne eine Verwandte
von mir zu sein, ich würde ihr einen Fußtritt geben.«
»Tote darf man nicht treten«,
sagt Sakerdon Michailowitsch.
»Ich würde ihr mit dem Stiefel
ins Gesicht treten«, sage ich. »Leichen und Kinder kann ich
nicht ausstehen.«
»Ja, Kinder sind scheußlich«,
bestätigt Sakerdon Michailowitsch.
»Doch was ist Ihrer Meinung nach schlimmer
: Leichen oder Kinder ?« frage ich.
»Kinder wahrscheinlich, sie stören
uns öfter. Leichen platzen wenigstens nicht in unser Leben herein«,
sagt Sakerdon Michailowitsch.
***
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